Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Frau an. »Hast du den Verstand verloren, Petra? Mein Dante wird der höchstrangige Fürst der Blutlinie in Europa sein.«
»Na und? Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Die Monarchie in Europa hat ausgespielt.«
»Weil es keinen würdigen Thronfolger gab, um die Monarchie wieder einzuführen. Verstehst du nicht? Mein Dante verändert das alles. In ihm können wir die Macht sämtlicher adeliger Blutlinien bündeln – die der Habsburger, der Buondelmontiund der Sinclairs. Mit unseren vereinten Vermögen und unserer Macht, die in diesem vollkommenen Kind, meinem Kind, zusammenfließt, können wir ganz Europa beherrschen.«
Petra war fassungslos. Das hatte sie nicht erwartet. Seit Jahrhunderten waren die Geheimgesellschaften Brutstätten für halb ausgegorene Intrigen, in Europa wieder die Monarchie einzuführen. Die Strategie stützte sich stets darauf zu beweisen, dass ein Erbe einer Blutlinie ein »vergessener« König war, der Europa als Supermacht einen würde. Aber Vittorias Szenario zeigte noch andere beunruhigende Möglichkeiten auf: Dante mochte zwar niemals auf einem anerkannten Thron sitzen, doch er konnte Milliarden Euro und ungeheure Macht für einen Plan mobilisieren. Aber wie würde dieser Plan aussehen? Und wer sollte ihn kontrollieren? Vittoria hatte zwar nicht den messianischen Aspekt ihres Sohnes in diesem großen Plan erwähnt, doch es war deutlich, worauf es hinauslief.
Petra überlief es eiskalt, als sie überlegte, dass Vittoria wahrscheinlich nicht klug genug war, um sich selbst so etwas auszudenken. Wie weit reichte diese Verschwörung? Wie viel Reichtum und Macht steckte hinter dieser furchtbaren Idee?
»Vittoria …« Petra versuchte es mit einer neuen Taktik und setzte ihre Autorität als Lehrerin ein. »Hilf mir zu verstehen, worauf du hinauswillst. Unser Orden ist keine politische Organisation, sondern eine spirituelle. Weltliche Macht ist nicht unser Ziel.«
Als Vittoria antwortete, blitzte ein fanatisches Licht aus ihren Augen. »Unser Ziel ist die Zerstörung der Kirche, und das können wir nur bewerkstelligen, indem wir unsere Kräfte bündeln. Wir können die Lehren des Libro Rosso wieder ans Tageslicht bringen und ein für alle Mal in Europa verbreiten. Wir können die Lügen bekämpfen, die Rom zu lange herrschen ließen. Es ist eine heilige Mission, Schwester. « Absichtlich benutzte sie die Ordensanrede. »Wir alle gemeinsam können es schaffen – du und ich, Berenger und Destino und Dante. Lasst uns eine Ära derWiedergeburt einläuten. Die Zeit kehrt wieder. Lasst uns das beenden, was Lorenzo begann. Das ist unsere Mission.«
Traurig schüttelte Petra den Kopf. Wie hatte Vittoria nur so irregeleitet werden können? »Die Zerstörung der Kirche war nie unser Ziel. Wir streben danach, mit anderen Glaubensvorstellungen in Frieden zu leben. Das war schon immer unser Ziel. Das ist der Weg der Liebe.«
Vittoria knurrte vor Zorn. »Du bist die Meisterin des Hieros gamos, die Führerin einer aussterbenden Tradition, vielleicht der mächtigsten in der Geschichte der Menschheit. Willst du einfach zusehen, wie sie stirbt, Petra? Wir sollten aufstehen und sie leben lassen! Wir erneuern die wahre Lehre mit all der Macht und dem Reichtum Europas, der uns zur Verfügung steht. Berenger und ich herrschen gemeinsam, Dante ist unser Erbe, und der Schutz des Ordens unsere heilige Aufgabe. Wenn Dante dann schließlich das Libro Rosso besitzt und die …« Vittoria brach hastig ab, doch Petra, die sie zu gut kannte, begriff.
»Wenn er das Libro Rosso und was besitzt, Vittoria? Die Lanze?«
Vittoria war zu weit gegangen, um noch leugnen zu können. »Natürlich!«, fauchte sie. »Die Schicksalslanze ist die stärkste Waffe der Macht auf Erden. Wer sie schwingt, kann niemals besiegt werden. Wir brauchen sie, um unseren Sieg zu sichern. Dante braucht sie.«
Petra atmete tief durch und antwortete behutsam: »Die Lanze soll nie mehr als Werkzeug des Krieges oder des Schmerzes benutzt werden. Das wäre ein furchtbarer, tragischer Fehler. Destino wird die echte Lanze nie aus den Händen geben, zumindest nicht bis zu dem Tag, an dem er einen Erben auswählt, der ihrer Macht würdig ist.«
Doch Petras Worte trafen auf taube Ohren. Vittoria drehte sich auf dem Absatz um und eilte wütend und enttäuscht zur Tür. Dort blieb sie noch einmal stehen, um ein letztes Argument vorzubringen. »Destino braucht Dante. Der Orden brauchtihn. Er ist der würdige Erbe, von dem du gesprochen hast. Du
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