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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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Sabäer war weiser als jedes andere auf Erden. Sie wussten um den Einfluss der Sterne und die Heiligkeit der Zahlen, die von den Göttern kamen. Die Königin gründete Schulen, an denen das Wissen um die Zahlen und um die Sterne gelehrt wurde, und die Bildhauer, die ihr dienten, meißelten außergewöhnliche Bilder von Göttern und Menschen in Stein. Auch verfügte das Volk über die Schrift und fühlte sich der hohen Kunst des Schreibens verpflichtet. Dichtkunst und Musik blühten in diesem Reich.
    Da geschah es, dass der große König Salomon von der unvergleichlichen Königin Makeda erfuhr. Es war ein Prophet, der ihm riet: »In einem fernen Land im Süden herrscht eine Frau, die dir ebenbürtig ist. Du könntest viel von ihr lernen, so wie auch sie von dir lernen könnte. Sie zu treffen ist dein Schicksal.« Zuerst glaubte Salomon nicht, dass es eine solche Frau gab, doch dann siegte die Neugier, und er sandte ihr eine Einladung, ihn auf dem heiligen Berg Zion zu besuchen. Als die Boten in das Land der Sabäer gelangten, sahen sie, dass die Weisheit ihres Herrn und die Pracht seines Hofstaats in jenem Reich bereits Legende waren.
    Makedas eigene Prophetinnen hatten ihr geweissagt, sie werde eines Tages eine weite Reise machen, um einen König zu treffen, mitdem sie den Hieros gamos vollziehen konnte, die heilige Hochzeit, bei der Körper und Geist zu einer göttlichen Einheit verschmolzen. Der König werde Makedas Seelenzwilling sein, prophezeiten die Seher, und sie würde zu seiner schwesterlichen Braut, die Hälfte eines Ganzen, das nur in der Vereinigung eins wird.
    Doch so leicht ließ sich die Königin von Saba nicht gewinnen. Niemals hätte sie mit einem Mann die heilige Vereinigung vollzogen, hätte sie den Mann nicht als Teil ihrer eigenen Seele erkannt. Auf der langen Reise zum Berg Zion ersann sie eine Reihe von Prüfungen und Fragen für den König. Seine Antworten sollten ihr erkennen helfen, ob er ihr ebenbürtig und ihr Seelenzwilling war, empfangen als Eins am Anbeginn der Ewigkeit.
    Wer Ohren hat zu hören, der höre.
     
    Die Legende von Salomon und der Königin von Saba,
    erster Teil, wie sie im Libro Rosso bewahrt worden ist
     
    Peter machte eine Pause, bevor er den zweiten Teil las. Der letzte Satz – »ihr Seelenzwilling, empfangen als Eins am Anbeginn der Ewigkeit« – machte ihn betroffen. Er hatte nie an das Konzept der Seelengefährten und der vorbestimmten Liebe geglaubt, denn als Priester gehörte seine Liebe einzig Gott. Peter hatte früh den Zölibat abgelegt und nie dagegen verstoßen. Den größten Teil seines bisherigen Lebens hatte er sich für einen jener Einzelgänger gehalten, die Gott für besondere Aufgaben erwählt hat. Doch wenn er ehrlich war, musste er tief in seinem Inneren zugeben, dass er bisweilen Zweifel an seiner Bestimmung hegte – zum Beispiel, wenn er ein glückliches Paar sah, das Hand in Hand über den Pont Neuf schlenderte, oder eine junge Familie, deren Kinder fröhlich und unbeschwert im Park spielten. In solchen Augenblicken stellte Peter sich die Frage, ob er etwas verpasste – einen Aspekt des Lebens, den er nach dem Willen Gottes vielleicht doch kennenlernen sollte.
    Die achtzehnmonatige Haft in Frankreich hatte ihm viel Zeitzum Nachdenken über diese und andere Fragen verschafft. Das Arques-Evangelium der Maria Magdalena – jene Schrift, für die er Leben und Freiheit riskiert hatte – bewies, dass Jesus die menschliche Liebe gekannt hatte; die Schrift feierte diese Liebe geradezu. Peter glaubte an das Arques-Evangelium. Er hatte schon daran geglaubt, als er dem Katholizismus noch treu ergeben war. Sicher, er hatte sich schwergetan mit der Vorstellung einer irdischen Liebe Jesu; aber er hatte für sich selbst einen Weg gefunden, sie zu verstehen, ohne gegen sein Priestergelübde zu verstoßen.
    Dann aber hatte er das Libro Rosso kennengelernt – das Evangelium, das Jesus angeblich selbst geschrieben hatte. In dieser Schrift wurde hervorgehoben, der Hauptgrund für die Fleischwerdung des Menschen sei der, die Liebe in allen ihren Formen zu erfahren, ob als menschliche oder göttliche, platonische oder erotische Liebe.
    Je mehr Peter las, desto tieferen Nachhall fanden diese Lehren in ihm.
    In den vergangenen vier Jahren war fast alles, was er für Wahrheit gehalten hatte, zu Staub zerfallen. Durfte er sich überhaupt noch als Priester bezeichnen? Seinen Priesterkragen hatte ihm der Vatikan zwar nicht genommen, doch seit seiner Haftentlassung

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