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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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Dante war sein Sohn, und er würde ihn nicht verleugnen.
    Schließlich sagte er mit brüchiger Stimme: »Er ist mein Sohn, Maureen. Schau ihn doch nur an. Ich brauche keine DNA-Tests, wenn ich Augen im Kopf habe. Und …«
    »Und was?«
    »Er ist ein Kind der Prophezeiung. Ich muss dir ja nicht erklären, was das bedeutet. Aber es gibt da etwas, was du noch nicht weißt.«
    Maureen wappnete sich. Sie zitterte am ganzen Leib. Ihre Welt fiel in Scherben, und sie war sicher, dass die Abrissbirne gleich das letzte ihrer Luftschlösser zertrümmern würde.
    »Die Prophezeiung, Maureen, ist länger. Allerdings wird das fehlende Stück selten zitiert, weil das Ereignis, von dem die Rede ist, noch nie eingetroffen ist. Das fehlende Stück heißt ›Der zweite Dichter‹.« Berenger holte kurz Luft; dann sprach er die Zeilen:
     
    »Der Menschensohn selbst wird als zweiter Dichter wiederkehren.
    Wenn die Zeit gekommen ist, die Sterne in einer Linie stehen,
    wird ein Dichterfürst von einem Dichterfürsten geboren
    und wieder König aller Könige sein.«
     
    Maureen, die vertraut war mit der Macht von Prophezeiungen, die ihr Leben verändert hatten, war entsetzt. Sie wollte ganz sicher sein, dass sie Berenger richtig verstanden hatte. Also fragte sie nach einem bleiernen Augenblick der Stille: »Was genau willst du mir damit sagen, Berenger?«
    Er nahm ihre Hände und drückte sie so fest, dass es wehtat. Tränen standen in seinen Augen. »Niemals ist ein Dichterfürst als Sohn eines anderen Dichters geboren worden. Nie zuvor in unserer Geschichte ist es geschehen, dass Vater und Sohn sämtliche Eigenschaften der Prophezeiung miteinander teilen. Deshalb stellt der zweite Dichterfürst …«
    »Die Wiederkunft Christi dar«, vollendete Maureen den Satz mit dumpfer Endgültigkeit und mit einer Stimme, die sie nicht als die eigene erkannte.
    »Maureen, ich weiß, es klingt verrückt, aber überleg doch, was wir alle durchgemacht haben. Wir haben vieles gesehen, das im Grunde unmöglich war. Die Prophezeiungen haben sich nie geirrt. Wenn auch nur die entfernteste Möglichkeit besteht, dass Dante tatsächlich …« Berenger brach ab. Er konnte es nicht einmal laut aussprechen, so aufwühlend war der Gedanke.
    »Wenn Dante so ein besonderes Kind ist, braucht er mich«, fuhr er schließlich fort. »Und nicht nur als gelegentlichen Besucher oder Geldgeber, sondern als Vater. Er wird jemanden brauchen, der ständig über ihn wacht und den Ehrgeiz seiner Mutter in Schach hält. Deshalb werde ich mit ihm leben müssen.«
    Maureen spürte die Tränen wie ein glühend heißes Kohlestück in der Kehle. Dann sprach sie jene Frage aus, auf die sie die Antwort gar nicht wissen wollte.
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Das Richtige. Es tut mir leid, Maureen, aber ich muss mich meiner Stellung als würdig erweisen. Ich muss diese Prüfung bestehen.« Nun weinte er ganz offen und sagte mit einer Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien: »Vielleicht ist es unsere Pflicht, edelmütig zu sein, bevor wir glücklich sein dürfen.«
    Maureen erhob sich wie in Zeitlupe. Sie versuchte zu begreifen, wie ein Augenblick der Seligkeit so unversehens in einen Albtraum umschlagen konnte. Eben noch hatten sie einander ewige Liebe geschworen, und nun ließ Berenger sie für ein Leben mit Vittoria und ihrem gemeinsamen Kind fallen.
    Sie unterdrückte ein Schluchzen und flüchtete in die Sicherheit ihres Zimmers.

Kapitel neun
    Arezzo, Toskana
    21. Juli 1463
     
    A l essandro di Filipepi, Sandro Botticelli genannt, war dankbar für sein Leben. Im Alter von achtzehn Jahren war er als Lehrling zu den besten Künstlern Italiens gekommen. Nun zählte er selbst beinahe schon zu den Meistermalern von Florenz. Und er war von den Medici wie ein eigenes Kind angenommen worden, lebte und arbeitete unter dem Dach von Piero und Lucrezia und war Lorenzo und Giuliano wie ein älterer Bruder. Lorenzo und Sandro waren unzertrennlich geworden. Voller Begeisterung begleiteten sie Cosimo auf seiner Pilgerfahrt nach Santo Sepolcro, dem spirituellen Heim des Ordens vom Heiligen Grab. Cosimo war hinfällig geworden, doch nachdem er beschlossen hatte, die beiden Freunde nach Sepolcro mitzunehmen, ging es ihm ein wenig besser. Es würde vermutlich seine letzte Reise sein, da die Gicht es ihm kaum noch erlaubte, auf einem Pferd zu sitzen. So ritt er auf seinem braven weißen Maultier gemächlich dahin, an der Seite des ebenso siechen Fra Francesco. Sie waren einander auf dem Ritt

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