Das Magische Messer
über diese Welt und dieses Messer weißt.«
Lyra holte tief Luft und begann.
Der sprechende Bildschirm
»Kannst du das wiederholen?«, sagte Dr. Oliver Payne in dem kleinen Labor, durch dessen Fenster man den Park sah. »Entweder ich habe dich nicht richtig verstanden, oder du redest Unsinn. Ein Kind aus einer anderen Welt?«
»Das waren ihre Worte«, sagte Dr. Mary Malone. »Also gut, es ist Unsinn, aber hör mir wenigstens zu, Oliver. Sie wusste von den Schatten. Sie nennt sie – es – sie sagt Staub dazu, aber es ist dasselbe. Es sind unsere Schattenteilchen. Und ich sage dir, als sie über die Elektroden mit der Höhle verbunden war, waren auf dem Bildschirm die tollsten Dinge zu sehen, Bilder, Symbole … Sie hatte auch ein Instrument, eine Art goldenen Kompass, mit verschiedenen Symbolen auf dem Zifferblatt. Und sie sagte, sie könne sie genauso lesen wie den Bild schirm, und sie wusste auch, wie man sich dafür konzentrieren muss, sie wusste es ganz genau.«
Es war Vormittag. Lyras Wissenschaftlerin Dr. Malone hatte rote Augen vor Müdigkeit, und ihr Kollege, der soeben aus Genf zurückgekehrt war, hörte ihr neugierig und ungeduldig, zugleich aber auch skeptisch und besorgt zu.
»Und entscheidend war, sie kommunizierte mit ihnen, Oli ver. Die Teilchen haben tatsächlich ein Bewusstsein und können reagieren. Und erinnerst du dich an deine Schädel? Sie er zählte mir von einigen Schädeln im Pitt-Rivers-Museum – sie hat mit ihrem Kompass festgestellt, dass sie viel älter sind, als auf dem Schild steht, und dass da Schatten waren –«
»Augenblick mal, eins nach dem anderen. Was soll das jetzt heißen? Hat sie bestätigt, was wir schon wissen, oder sagt sie etwas ganz Neues?«
»Beides – ich weiß nicht. Aber angenommen, vor dreißig-, vierzigtausend Jahren passierte etwas. Natürlich gab es auch davor schon Schattenteilchen, es gibt sie seit dem Urknall, aber es gab keine physikalische Verstärkung ihrer Wirkung auf unserer Ebene, auf der Ebene des Menschen. Und dann geschah etwas, ich weiß nicht was, aber es hatte mit der Evolution zu tun. Deshalb deine Schädel – du erinnerst dich? Vor dieser Zeit keine Schatten, danach jede Menge. Und das Mädchen überprüfte die Schädel im Museum mit seinem Ko pass und sagt dasselbe. Ich meine also, dass das menschliche Gehirn um diese Zeit zum idealen Träger dieser Verstärkung wurde. Auf einmal bekamen wir Bewusstsein.«
Dr. Payne führte seinen Plastikbecher zum Mund und trank den letzten Schluck Kaffee.
»Aber warum ausgerechnet zu dieser Zeit?«, sagte er. »Warum plötzlich vor fünfunddreißigtausend Jahren?«
»Wer weiß? Wir sind keine Paläontologen. Ich weiß es nicht, Oliver, ich spekuliere ja nur. Hältst du es nicht zumindest für möglich?«
»Und dieser Polizist? Was war mit ihm?«
Dr. Malone rieb sich die Augen. »Er hieß Walters. Er sagte etwas von Staatssicherheitspolizei. Hat die nicht mit Politik zu tun?«
»Mit Terrorismus, Sabotage, Spionage … all dem. Weiter. Was wollte er? Warum kam er?«
»Wegen des Mädchens. Er sagte, er suche einen ungefähr gleichaltrigen Jungen, er sagte aber nicht warum, und dieser Junge sei zusammen mit dem Mädchen gesehen worden, das hier gewesen sei. Aber er hatte noch eine andere Frage, Oliver, er wusste von unseren Forschungen, er fragte sogar –«
Das Telefon klingelte. Sie verstummte, zuckte die Schultern, und Dr. Payne nahm ab. Er sprach kurz, legte wieder auf und sagte: »Wir bekommen Besuch.«
»Von wem?«
»Ich kenne den Namen nicht. Ein Sir Irgendwer. Hör zu, Mary, ich gehe weg, das ist dir doch klar?«
»Sie haben dir die Stelle angeboten.«
»Ja, und ich muss annehmen. Du musst das verstehen.«
»Tja, dann ist das hier aus.«
Er hob hilflos die Hände. »Wenn ich ehrlich sein soll … al les, was du eben gesagt hast, klingt für mich völlig wirr. Kin der aus einer anderen Welt und fossile Schatten … Es ist zu verrückt, ich möchte lieber nichts damit zu tun haben. Schließlich will ich beruflich weiterkommen, Mary.«
»Und die Schädel, die du untersucht hast? Die Schatten um das Figürchen aus Elfenbein?«
Er schüttelte den Kopf und drehte ihr den Rücken zu. Bevor er antworten konnte, klopfte es an der Tür, und er öffnete sie fast erleichtert.
»Einen guten Tag wünsche ich«, sagte Sir Charles. »Dr. Payne? Dr. Malone? Ich heiße Charles Latrom. Sehr liebenswürdig von Ihnen, mich so kurzfristig zu empfangen.«
»Kommen Sie herein«,
Weitere Kostenlose Bücher