Das Mauerblümchen erringen (German Edition)
heiraten oder keine. Auch wenn sie während ihrer Jungmädchenzeit ständig beglückwünscht worden war, das glücklichste Mädchen auf der Welt zu sein.
Und auch wenn sie ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte, die sie letzten Endes für den Heiratsmarkt untauglich machte.
Doch in diesem Augenblick erschien ihr die Aussicht, niemals zu heiraten, vollkommen annehmbar.
„Ich gehe jetzt, Rodney“, sagte sie.
„Willst du mir keinen Abschiedskuss geben?“
„Nein.“
Philippa verließ die Scheune, wobei sie sich unendlich schäbig fühlte — wie ihr altes Kindermädchen gesagt hätte. Und während sie auf das Haus zuschritt, ging ihr auf, dass dies beileibe keine neue Empfindung war. Sie war schon seit geraumer Zeit wütend auf Rodney gewesen.
Nachdem er seine berühmte Ankündigung in der St. Mary´s Church in Lower Ha´penny von sich gegeben hatte, war sie von keinem anderen Jungen mehr angeschaut worden. Sie war fortan das „glückliche Damson-Mädchen“, dem es vom Schicksal bestimmt war, die nächste Lady Durfey zu werden. Und keiner hatte danach gefragt, was sie denn von Rodney hielt, von seinen blassblauen Augen etwa oder von seinem dicken Hintern oder der Art, wie er ständig nach ihrem Busen, diesem Himmelsgeschenk, schielte.
Philippas Mutter war im vorigen Sommer gestorben. Sie hatte die Hand ihrer Tochter gehalten und immer wieder gesagt, wie froh sie sei, dass ihr kleines Mädchen versorgt war. Und Vater hatte wieder und wieder gesagt, wie dankbar er sei, dass ihm die Kosten und Mühen einer Saison in Bath oder — noch lästiger — einer Reise nach London erspart geblieben waren, wo Philippa von ihrer Patin in die Gesellschaft hätte eingeführt werden müssen.
Die Damsons und die Durfeys hatten stets die Weihnachtszeit zusammen gefeiert und waren zu Ostern gemeinsam zum Altar geschritten. Und als die Damen der beiden Familien das Zeitliche segneten ... fuhren Sir George und Mr. Damson, Esq., einfach in den eingefahrenen Gewohnheiten fort.
Die Heirat ihrer Kinder würde dem Baronet Landbesitz der Damsons einbringen, und jeder, auch Philippas Vater, hielt das für eine gute Idee.
„Meine Ländereien liegen ohnehin neben seinen“, hatte er einmal zu Philippa gesagt, als sie sich beschwerte, Rodney habe ihre Puppe gestohlen und ihr den Kopf abgeschlagen. „Ihr beide werdet eines Tages heiraten, und so zeigt er dir eben seine Zuneigung. Du solltest dich glücklich schätzen, dass er dich dermaßen anbetet.“
Seit Philippa sieben war, hatte man ihr ständig eingeredet, wie sie sich fühlen sollte: Sie habe großes Glück und sie sei etwas Besonderes.
Doch jetzt fühlte sie sich bloß angewidert.
Und sie sann auf Flucht. Vater würde es nicht verstehen, wenn sie ihm sagte, sie habe es sich anders überlegt und wolle Rodney nicht mehr heiraten. Denn als Grund konnte sie mitnichten Grausamkeit oder Brutalität von Seiten ihres Zukünftigen anführen.
Und sobald Vater herausfand, was in der Scheune geschehen war — und das würde er, denn Rodney würde vor nichts zurückschrecken, um sie zu bekommen —, würde er sie trotz leidenschaftlicher Proteste unverzüglich zum Altar schleifen.
Nein, wenn sie Rodney entkommen wollte, blieb nur die Flucht.
Philippa atmete tief durch. Warum nur hatte sie nicht früher darauf kommen können, warum nicht vor dieser unerfreulichen Begegnung in der Scheune? Bis zum heutigen Nachmittag hatte sie Rodney lediglich keusche Küsse gestattet. Und war wie ein Strohhalm im Wasser dahingetrieben, hatte sich das Leben mit Rodney nicht wirklich vorgestellt. Hatte sich die Nächte mit Rodney nicht vorgestellt.
Aber jetzt ... konnte ein Baby unterwegs sein. Langsam schritt Philippa auf das schmucke Haus ihrer Familie zu, das sich sehr von der überladenen Backstein-Missgeburt namens Durfey Manor unterschied, und bedachte die Folgen.
Sie liebte Kinder. Bei Teegesellschaften versuchte sie stets, sich fortzustehlen und die Kinderstube aufzusuchen. Und die
Weitere Kostenlose Bücher