Das mechanische Herz
nichts wieder hin.“
Der Liktor führte die beiden ein paar Treppenstufen hinauf in die nächste Wache, wo man sie trennte. Pyke winkte Taya zum Abschied dramatisch zu.
„Wenn du möchtest, darfst du gern die Flügel ablegen“, sagte der demikanische Liktor, der sich mit Taya in ein kleines Büro zurückgezogen hatte. Taya zögerte, aber ihr tat der ganze Körper weh, und sie hätte sich gern ein wenig hingesetzt. Wahrscheinlich hatte sie eine Pause verdient. Sie lockerte den Harnisch, öffnete dann den Metallverschluss und nahm das Fluggeschirr ab. Auf ihrer schweißnassen Haut kribbelte es, als sich der vom Druck befreite Fliegeranzug aus Leder von ihr löste. Besorgt wandte sie sich zu ihrem Geschirr um.
Es schwebte leise schwankend so hoch in der Luft, dass die Metallspitzen die Decke berührten. Stirnrunzelnd inspizierte Taya die Federn, wobei sie feststellen musste, dass in der Tat zwei Schwungfedern verbogen waren. Allerdings mochte Pyke recht haben: Der Schaden sah aus, als ließe er sich leicht wieder beheben.
Sie hatte unglaubliches Glück gehabt.
„Du warst sehr tapfer“, sagte der Liktor, indem er zwei Stühle unter dem Tisch hervorzog und Taya bat, sich zu setzen. „Ich werde dich nicht lange aufhalten. Willst du etwas trinken? Ich könnte dir einen Krug Wasser bringen.“
„Nein, danke, es geht schon, ich brauche nichts.“ Taya ließ sich auf einen Stuhl fallen und massierte ihren Nacken. Ihre Muskeln zuckten wie die Saiten einer Harfe, an denen jemand zupft. „Wie heißt du?“, erkundigte sie sich höflich.
„Ich bin Leutnant Janos Amcathra.“ Der Liktor hatte Taya gegenüber Platz genommen und legte vor sich auf dem Tisch einen Stapel Papier zurecht.
Ein demikanischer Name. Seinem Akzent nach war der Mann Bürger erster oder zweiter Generation. Taya streckte ihm die Hand hin und sprach ihn auf Demikanisch an.
„Schön, sich in friedlichen Zeiten zu treffen, Janos Amcathra.“
„Schön, sich in friedlichen Zeiten zu treffen, Taya Ikara“, erwiderte der Leutnant in derselben Sprache, indem er Taya die Hand schüttelte, ging dann aber gleich wieder zu Ondinianisch über. „Wir brauchen bestimmt nicht lange. Bitte beschreibe, was geschah.“ Er zückte einen Stift.
Taya berichtete in allen Einzelheiten von ihrem Abenteuer, was länger dauerte als das eigentliche Ereignis. Amcathra machte sich ausführliche Notizen, und als sie fertig war, nickte er.
„Dann war es purer Zufall, dass du dich in der Nähe der Unfallstelle befandest“, fasste er zusammen. „Wenn du dort nicht haltgemacht hättest, um dich auszuruhen ...“
„Wir alle hatten unglaubliches Glück.“
„Ja.“ Amcathra überreichte ihr ein vorgedrucktes Formular und den Stift. „Jetzt brauche ich nur noch deine Unterschrift und die Nummer deines Horstes. Wir lassen es dich wissen, wenn wir uns noch einmal mir dir unterhalten müssen.“
Taya blinzelte.
„Das ist alles? Ich dachte, du hättest mich mit auf die Wache genommen, weil es länger dauern würde.“
„Ich habe dich hierhergebracht, weil du Ruhe brauchtest und draußen zu viele Menschen waren.“
„Oh! Danke.“
„Eigentlich werden Bürger dieser Stadt gar nicht so oft verprügelt oder einer Gehirnwäsche unterzogen“, bemerkte der Leutnant trocken.
Taya grinste. „Pyke ist harmlos, den darf man nicht so ernst nehmen.“ Sie überflog das vorgelegte Formular, ehe sie ihre Unterschrift daruntersetzte.
Amcathra unterschrieb ebenfalls.
„In einer Sache könnte dein Freund allerdings recht haben“, meinte er. „Der Sturz des Tragbalkens dürfte kein Unfall gewesen sein.“
„Was willst du damit sagen?“ Taya erinnerte sich daran, dass Pyke in einer seiner letzten Tiraden gegen die Regierung von unter der Hand weitergegebenen Bauaufträgen und minderwertigem Baumaterial gesprochen hatte.
„Wir verzeichnen eine Zunahme von Zwischenfällen, bei denen politisch motivierte Gewalt im Spiel ist.“
„Ist Octavus ... politisch brisant?“ Von ihren Prüfungsvorbereitungen her wusste sie, dass man den Dekatur Octavus zu den technologisch Konservativen rechnete. Dadurch erfreute er sich großer Beliebtheit bei den hart arbeitenden Plebejern, weniger großer bei Menschen aus den Kasten der Kardinäle, deren Lebensunterhalt von moderner Technologie abhängig war. Seine Feinde bezeichneten Octavus als Organizisten, als Reaktionär, der sich jeglicher Technologie entledigen wollte.
Amcathra zuckte die Achseln.
„Ich spekuliere nur. Ein Ikarus
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