Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
Summen. Dann kehrte das Brennen in meinen Händen zurück, und als ich stöhnte und die Augen aufschlug, war das einzige Geräusch das Kratzen eines Stiftes auf Papier.
»Habe ich dich geweckt?« Sam, der schnell in ein Buch geschrieben hatte, blickte auf.
Ja. »Nein.« Es spielte keine Rolle. Meine Hände würden nicht lange genug schmerzfrei sein, als dass ich hätte gut schlafen können.
Ich lag auf dem Bett, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, mich bewegt zu haben. Hatte er mich hergetragen? Er hatte mich definitiv zugedeckt. Meine Brandwunden taten zu weh, um die dicken Wolldecken zu greifen.
Mir kam ein erschreckender Gedanke. Was geschah, wenn ich das Bad benutzen musste? Ich wappnete mich und betrachtete meine Hände. Die linke war nicht ganz so schlimm. Ich konnte ein wenig Schmerz ertragen, um den letzten Rest meiner Würde zu wahren. Solchermaßen beruhigt sah ich zu Sam hinüber, der wieder in sein Buch schrieb. »Was machst du da?«
Sein Stift zögerte über dem Papier, als hätte ich ihn aus dem Konzept gebracht.
Ich hätte nicht fragen sollen. Ich wusste es besser, aber meine Hände…
»Ich mache mir Notizen.« Er blies auf die Tinte, schloss das Buch und stellte alles beiseite. »Möchtest du weiterlesen?«
»Nur, wenn du willst.« Als er nicht hinsah, versuchte ich, mich aufzusetzen. Aber jedes Mal, wenn ich mich mit den Ellbogen hochschieben wollte, stachen sie in die Decke. Ich kam einfach nicht hoch. Da ich mich weigerte, eine dumme Decke gewinnen zu lassen, trat ich sie nach unten weg. Nachdem sie aus dem Weg war, drückte ich mich wieder auf den Ellbogen nach oben. Ich hatte mich verschätzt, und dasselbe Problem – die Decke – warf mich wieder um.
Ich schlug auf das Bett, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren – und ein Inferno schoss durch meinen Arm. Ich schrie auf und presste die Hand an die Brust.
Sam war sofort an meiner Seite und legte die Arme um mich.
Gefangen. Ich brüllte und kämpfte, um zu entkommen, aber er ließ nicht los. Außer Stande, ihn mit den Händen wegzustoßen, versuchte ich, ihn zu beißen. Den Mund voll Wolle. Ein hässliches Schluchzen brach aus mir heraus.
»Es tut mir so leid«, flüsterte er und zitterte, als wäre es für ihn genauso tragisch wie für mich. »Es tut mir leid.«
Er hielt mich nicht gefangen. Er… umarmte mich? Ich hatte Li ihre Freunde bei den seltenen Besuchen umarmen sehen. Mich umarmte man natürlich nicht. Anscheinend hatte Sam das niemand gesagt.
Als er fertig damit war, mich zu umarmen, überprüfte er meine Handfläche auf neue Verletzungen. Ich hatte Glück gehabt. »Nimm die.« Er nahm eine Hand voll Tabletten von einem kleinen Tisch und reichte mir Wasser, um sie hinunterzuspülen. »Sag Bescheid, wenn du noch etwas brauchst.«
Ich schluckte die Tabletten hinunter. »Geht klar.«
Er sah mir mit einem forschenden Blick in die Augen. »Du musst es mir sagen. Lass mich nicht raten.«
Ich senkte als Erste den Blick. »Okay.«
Er glaubte mir nicht. Er sah mich genauso an wie Li, wenn sie dachte, ich hätte den Meerschweinchenkäfig nicht saubergemacht oder den Kompost nicht gewendet. Aber er hatte mich nicht gebeten, im Haushalt zu helfen, er wollte nur, dass ich es ihm sagte, wenn ich etwas brauchte.
Na gut. Wenn ich etwas brauchte , würde ich es ihm sagen.
»Soll ich weiter vorlesen?«, fragte er, nachdem er einige Augenblicke unangenehm nahe bei mir gesessen hatte.
Ich nickte.
Er seufzte und befreite mich von den Decken. »Die Genesung wird schwierig für dich sein, aber sie muss ja nicht schrecklich werden. Sag mir einfach, wenn du etwas möchtest.«
Als ob das je geschehen würde.
Während der nächsten Tage erzählte mir Sam Geschichten, bis er heiser wurde. Er schwelgte in Erinnerungen daran, wie er Bildhauerei, Textilkünste, Glasbläserei, Tischlerei und Metallverarbeitung gelernt hatte. Er hatte auch mehrere Leben als Bauer verbracht und Vieh gezüchtet.
Er erzählte mir alles über die Geysire und heißen Quellen rund um die Stadt, die Wüstengebiete südwestlich des Reiches und das Meer dahinter. Ich konnte mir das Meer noch nicht einmal vorstellen.
Ich hörte ihm gerne zu, und er bat mich nicht mehr, ihm Bescheid zu sagen, falls ich etwas brauchte. Irgendwann fühlte ich mich sogar einigermaßen wohl, bis er das Buch zuklappte, aus dem er mir vorgelesen hatte, und sagte: »Ich kann nicht mehr sprechen.«
Er klang tatsächlich heiser, aber ich versuchte, kein schlechtes Gewissen zu
Weitere Kostenlose Bücher