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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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sicher schon gestorben vor Angst um ihren Sohn.
    »Er hat ein Verhältnis mit Jobim!«
    »Mit wem?«, kreischte Hanne.
    »Mit meinem Chef, mit dem Nachbarn!« Auch Ansgar war laut geworden.
    Hanne sagte eine ganze Weile nichts mehr. Ihr Kopf weigerte sich einfach, die Information zu verarbeiten. David ein Verhältnis mit diesem Ekel? Nein, das war unmöglich. Das durfte einfach nicht wahr sein. Dabei hatte sie gerade noch selbst gesehen, wie ihr Sohn das Nachbarhaus betreten hatte.
    »Ich habe die beiden in seinem Büro erwischt«, sagte Ansgar betont ruhig. »David ist sofort weggelaufen, ohne dass ich noch etwas sagen konnte, und Jobim natürlich hinterher. Ich hatte - eigentlich gehofft, dass David bei dir ist ...«
    Wie hypnotisiert lauschte Hanne ihrem Mann und sah dabei immer wieder David, wie er hinter diesem Kerl ins Haus ging.
    »Hanne?«
    »Ja«, sagte Hanne matt.
    »Ich muss auflegen, ich habe gleich einen wichtigen Termin. Wenn David nach Hause kommt, halt ihn fest.«
    »Er ist drüben.« Hanne hörte sich wie aus weiter Ferne sprechen. »Er ist bei ihm.«
    Ansgar fluchte. Hanne kannte ihren Mann so gar nicht. Dann ertönte das charakteristische Tuten, das ihr anzeigte, dass er aufgelegt hatte. Trotzdem hielt sie den Hörer noch einen Moment ans Ohr gedrückt. Das war doch alles nur ein Traum! Das musste einfach ein Traum sein, sowas konnte nicht wirklich passieren! Dann legte sie endlich auf und drehte sich wie in Zeitlupe um. Das Haus erschien ihr mit einem Mal viel zu groß.
    Was jetzt? Diese Frage stellte sie sich immer wieder. Ein Blick durchs Küchenfenster zeigte ihr ein ganz normales Haus. Nichts deutete darauf hin, dass gegenüber Dinge geschahen, die eigentlich nicht geschehen durften. Sollte sie hinübergehen? Krampfhaft hielt sie sich an der Fensterbank fest. Erst zehn Minuten später, als sich Ansgars Wagen in ihr Blickfeld schob, kam sie wieder zu sich. Sie rannte raus.

    114

    »Meinst du, dein Vater wird sauer sein?«, fragte Paolo gelassen, als er aus dem Wagen stieg.
    David schob sich mit zusammengebissenen Zähnen aus der Fahrgastzelle. Grimmig schlug er die Tür zu. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Natürlich war sein Vater sauer. Irgendwie wurde David das ungute Gefühl nicht los, dass sich Paolo überhaupt nicht darum scherte. Er legte eine Überheblichkeit an den Tag, als liefe für ihn alles nach Plan. Unbehaglich stellte David fest, dass es ja vielleicht genau so war. Es musste Paolo nicht ein bisschen kümmern, was sein Vater über die Szene gerade dachte, schließlich war er der Chef des Ladens. Und dass zwischen Paolo und seinen Eltern niemals mehr sein würde, als offene Feindseligkeit, das war seit dem Grillabend wohl kaum ein Geheimnis.
    »Hm?«, machte Paolo, um ihn an seine Frage zu erinnern.
    »Ach, halt dich doch einfach da raus!«, sagte David plötzlich. Er spürte neben der ganzen Aufregung und Unsicherheit nun auch deutlich die Wut auf Paolo. Merlin hatte ihm gesagt, dass Paolo niemals etwas Gutes im Schilde führen konnte, indem er ihn bei Elco einstellte. Jetzt, da es zu spät war und sie hier vor dem Haus standen, das Merlin und Selma nicht mehr bewohnten, glaubte David ihm plötzlich.
    »Nicht so zickig!« Paolo grinste ihn affektiert an. »Lass uns reingehen.«
    »Ich will nur die Nummer, okay?« David fühlte sich mit einem Mal nicht mehr so wohl bei der Sache. Die Art, wie Paolo seinen letzten Satz ausgesprochen hatte, ließ ihn gleich an etwas anderes denken. Trotzdem folgte er ihm den Weg zur Haustüre entlang. Paolo verschwand schon durch die Tür. David zögerte. Wieder dachte er an die Berührungen und das zwielichtige Verhalten. Irgendwie verstand er diesen Mann nicht. Erst wollte er ihm an die Wäsche, im nächsten Moment war er total abweisend und genervt und dann, als hätte man einen Knopf betätigt, drehte er sich um und küsste einen. Die unterschwellige Gewissheit, dass Paolo zu diesem Zeitpunkt schon gewusst hatte, was passieren würde, verursachte ein leichtes Übelsein. Allerdings konnte das auch von dem Gedanken kommen, dass sein Vater ihn erwischt hatte, wie er einen Mann küsste - und nicht irgendeinen, sondern dessen Chef!
    Vorsichtig trat David ein und schloss die Tür hinter sich. Nur das Telefonbuch, sagte er sich in Gedanken immer wieder vor. Von Paolo fehlte jede Spur. Wahrscheinlich war er nach oben gegangen oder wohin auch immer. David beschloss, dass er sich seine Informationen selbst besorgen und Paolo erst gar nicht

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