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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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immer so früh losging. Aber dann nahm Merlin die frische Luft wahr, die augenblicklich seinen Körper belebte. Er streckte sich wohlig und ging los. In seinem Kopf tummelte sich die Befürchtung, dass David vielleicht ausgerechnet heute nicht auf seiner Bank sitzen würde. Dann wäre er völlig umsonst so zeitig aus dem Haus gegangen. Oder was war, wenn David allein sein wollte? Er ging sicher nicht ohne Grund so früh aus dem Haus. Plötzlich war Merlin unsicher. Er sah auf die Uhr. Kurz nach halb acht. David war sicher noch nicht da.
    Merlin ging den schattigen Weg hinunter. Dieser Abschnitt war richtig kalt, weil das Blätterdach der umstehenden Bäume die Sonnenstrahlen abhielt. Machte er sich nicht zum Affen, wenn er David nachahmte und sich vor der Schule an die Wiese setzte? Merlin dachte gerade darüber nach, dass er immer noch zurück konnte, als er David sah. Er saß schon auf der Bank. Den Kopf weit in den Nacken gelegt hielt er sein Gesicht gen Himmel. Er genoss offensichtlich die Luft, das Rauschen der Blätter, die ersten Sonnenstrahlen, was auch immer. Wieder bemerkte Merlin seine Faszination für den Jungen. Er war so anders, so erwachsen. Welcher Siebzehnjährige kam auf die Idee, sich einfach mal so auf eine Bank zu setzen und das Leben um sich herum aufzunehmen?
    Merlin fiel auf, dass er stehen geblieben war. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung. Dabei ließ er David keinen Moment aus den Augen. Er sog jede Einzelheit in sich auf - die lockere Jeans, das schlichte, weiße Hemd, aus dem braun gebrannte Arme hinausschauten. Als er gerade das blonde Haar bewunderte, trat er gegen ein Steinchen, das geräuschvoll ein paar Meter davonhüpfte. David drehte sich zu ihm um. Merlins Herz setzte einen Moment aus. Dann grinste David. »Morgen!«, rief er.
    »Hallo«, sagte Merlin. »Bist du immer so früh hier?«
    »Bis jetzt schon.« David lachte. »Meine Mutter hat Panik, dass ich zu spät kommen könnte. Wird wohl noch dauern, bis sie ein wenig lockerer wird.«
    Merlin nickte. Trotzdem konnte er das nicht verstehen. Wenn seine Mutter ihn so früh rausschmeißen wollte, würde er ihr gleich ein paar Takte dazu sagen und am Ende natürlich erst losgehen, wenn es tatsächlich Zeit war. Abgesehen davon würde Selma ihn niemals so bevormunden. Irgendwie war Davids Antwort enttäuschend. Merlin hatte gedacht, es gäbe vielleicht ein Geheimnis, oder zumindest etwas Interessantes. Eigentlich wäre alles besser gewesen, als diese Erklärung.
    »Außerdem«, sagte David leise, »finde ich es morgens ganz schön hier. Ich mag es, wenn alles noch ruhig ist.«
    Merlin nickte wieder. Das hörte sich doch schon besser an. Dennoch machte es die Sache nicht wieder gut. Das Bild von einem Muttersöhnchen blieb. Aber es konnte auch nicht jeder so sein wie er, und ganz sicher war nicht jede Mutter so wie seine.
    »Und was machst du so früh hier?«, fragte David plötzlich und Merlin atmete tief durch.

    20

    »Ich - ich wollte mit dir - reden«, sagte Merlin und sah in die entgegengesetzte Richtung, als ob er in der Ferne etwas Interessantes beobachtete.
    David wurde augenblicklich schlecht. Hatte er sich gerade noch über Merlins Erscheinen gefreut, wurden nun offenbar seine Alpträume wahr. Natürlich hatte er ihn gestern ebenfalls vom Sportcenter aus gesehen. Was sollte es sonst anderes zu bereden geben, das zu unangenehm war, um ihn dabei direkt anzusehen? Am liebsten würde er irgendeinen Vorwand anbringen, um sich schnell aus dem Staub zu machen. Aber sicherlich würde er der Frage, warum er Merlin nachspionierte, nicht entgehen können. Angespannt saß er da und rührte sich nicht.
    »Wegen gestern ...«, fing Merlin an, sprach aber vorerst nicht weiter.
    Das Kribbeln in Davids Hals wurde stärker. Also war es wirklich wegen seiner Verfolgungsaktion. Er hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen.
    »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll«, sagte Merlin schließlich.
    »Es tut mir leid.« David sah auf. »Ich habe mich wie ein Trottel aufgeführt.« Er biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht war eine Entschuldigung doch nicht ganz vergebens. Zumindest schien Merlin sonst sehr umgänglich zu sein, wenn man ihn nicht gerade beschattete.
    »Was meinst du?«, fragte Merlin verwundert.
    David wollte gerade antworten, und ihm sagen, dass er ihn nicht mehr verfolgen würde, als Merlin unerwartet sagte: »Mach dir mal keinen Kopf wegen der kleinen Ohnmacht.«
    Völlig perplex sah David Merlin in die

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