Das Mitternachtskleid
vage Vorstellung davon, was ein Junggesellinnenabschied war, aber einige Artikel im Sortiment von Frau Prust ließen das Schlimmste befürchten, und wenn Nanny Ogg darüber ebenfalls Bescheid wusste, konnte man mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch Alkohol mit im Spiel war.
»Ich glaube, eine derartige Party wäre am Abend nach einer Beerdigung ziemlich unangemessen. Finden Sie nicht auch, Nanny? Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass Lätitia sich freuen würde, wenn Sie ein kleines Pläuschchen mit ihr halten würden«, fügte sie hinzu.
»Ist sie denn nicht deine Kumpeline? Dann würde ich doch meinen, du hättest das kleine Pläuschchen längst mit ihr gehalten.«
»Hab ich ja auch!«, sagte Tiffany. »Aber ich glaube, sie glaubt mir nicht. Und Sie sind doch schon mindestens dreimal verheiratet gewesen, Nanny!«
Nanny Ogg musterte sie einen Augenblick und sagte schließlich: »Dann dürfte mir wohl nicht so schnell der Gesprächsstoff ausgehen. Also gut. Und was ist mit dem Bräutigam? Wann feiert er denn seinen Junggesellenabschied? «
»Junggesellenabschiede … die kenn ich! Da wird man von seinen Freunden betrunken gemacht, entführt und an einen Baum gefesselt… Ich glaube, manchmal braucht man dafür auch noch einen Eimer und einen Pinsel. Aber normalerweise werfen sie den armen Kerl zum Schluss einfach in den Schweinestall. Wieso wollen Sie das wissen?«
»Ach, na ja, weil die Junggesellenabschiede immer viel, viel spannender sind als die der Junggesellinnen«, antwortete Nanny mit einem verschmitzten Lächeln. »Hat der glückliche Bräutigam denn überhaupt Freunde?«
»Na ja, ein paar Sprösslinge aus anderen adeligen Familien, aber die einzigen Leute, die er wirklich gut kennt, kommen hier aus dem Dorf. Wir sind nämlich alle zusammen aufgewachsen. Doch von denen würde sich bestimmt keiner trauen, den Baron in einen Schweinestall zu werfen!«
»Und was ist mit deinem Schätzchen da drüben?« Nanny deutete auf Preston, der ganz in der Nähe stand. Irgendwie schien er immer ganz in der Nähe zu stehen.
»Preston?«, sagte Tiffany. »Ach, ich glaube nicht, dass er den Baron so besonders gut kennt. Und überhaupt – « Sie hielt inne. Schätzchen ? Nanny hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und blickte mit engelsgleicher Miene gen Rittersaaldecke – allerdings mit der eines Engels, der es schon mit dem einen oder anderen Dämon aufgenommen hat. Das war typisch Nanny Ogg. Wenn es um Herzensangelegenheiten ging – oder um die Angelegenheiten irgendwelcher anderen Körperteile –, konnte ihr keiner etwas vormachen.
Aber er ist gar nicht mein Schätzchen, dachte sie. Er ist bloß ein Freund. Und noch dazu ein kleiner Junge.
Preston trat vor Nanny und nahm höflich den Helm ab. »Unglückseligerweise, werte Dame, wäre es ein Verstoß gegen die einschlägigen Vorschriften, sollte ich als Militärangehöriger Hand an meinen obersten Befehlshaber legen«, sagte er. »Anderenfalls wäre ich sofort mit von der Partie.«
Nanny nickte. Sie war beeindruckt. Eine dermaßen silbenträchtige Antwort bekam sie sonst nicht oft zu hören. Sie zwinkerte Tiffany vielsagend zu, sodass diese bis auf den Grund ihrer Stiefel errötete. Nanny Oggs breites Grinsen hätte sich wunderbar auf einem Kürbis gemacht. »Ach Gott, ach Gott, ach Gott«, sagte sie. »Irgendwer muss hier mal ein bisschen Leben in die Burg bringen. Ein Glück, dass ich so eine Stimmungskanone bin!«
Nanny Ogg hatte ein Herz aus Gold, aber wenn man ein Sensibelchen war, hielt man sich am besten die Ohren zu, bevor sie den Mund aufmachte. Alles durfte man ihr trotzdem nicht durchgehen lassen. »Nanny, wir sind auf einer Beerdigung !«
Doch auch der Appell an den gesunden Menschenverstand konnte Nanny Ogg nicht bremsen. »War er ein guter Mensch?«
Tiffany zögerte, aber nur einen Sekundenbruchteil. »Er wurde ein guter Mensch.«
Nanny Ogg war das kurze Stocken natürlich nicht entgangen. »Verstehe. Ja, ja, deine Oma Weh musste ihm wohl erst die Flötentöne beibringen. Aber als er gestorben ist, war er ein guter Mensch, ja? Gut. Wird man ihn in freundlicher Erinnerung behalten?«
Tiffany kämpfte mit einem Kloß im Hals. »Auf jeden Fall. Alle, die ihn gekannt haben.«
»Und du hast dafür gesorgt, dass er einen schönen Tod hatte? Du hast ihm die Schmerzen genommen?«
»Auch wenn Eigenlob stinkt, Nanny, aber sein Tod hätte schöner nicht sein können. Wenn er schon sterben musste, dann so.«
»Gut gemacht«, sagte
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