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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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einen größeren Respekt habe. Aber in diesem Augenblick bin ich bereit, alle Urteilskraft und Intelligenz der Welt gegen ein Paar scharfe junge Augen einzutauschen. Wenn ich an die Leistung denke, die Sir Arthur heute abend vollbracht hat, dann finde ich, daß man ihn nirgendwohin ohne einen weißen Stock gehen lassen dürfte. Wie sind denn Ihre Augen?«
    »Nun, ganz so jung sind sie nicht mehr, aber ich glaube, daß sie scharf genug sind.«
    »Dann kann ich mich also auf Sie verlassen?«
    »Auf mich? Ich – nun, ich verstehe überhaupt nichts davon, wie man mit einem Boot umgeht.«
    »Sie und Sir Arthur könnten ein fabelhaftes Team abgeben. Ich habe Sie einmal in der Starrolle eines französischen Marinefilms gesehen, wo Sie …«
    »Wir sind niemals aus dem Studio herausgekommen, und selbst im Studioteich hatte ich ein Double.«
    »Heute nacht gibt es kein Double für Sie.«
    Ich blickte hinaus, durch die regenüberströmten Fenster. »Und auch keinen Studioteich. Der hier ist echt. Der Original-Atlantik. Charlotte, alles, was ich brauche, sind ein Paar scharfe Augen. Ein Paar Augen, die die Umgebung genau beobachten, bis ich wieder zurückkomme. Und die aufpassen, daß wir nicht auf die Felsen laufen. Können Sie das tun?«
    »Habe ich denn irgendeine Wahl?«
    »Sie haben keine Wahl.«
    »Dann werde ich es versuchen. Wo wollen Sie denn an Land gehen?«
    »Eilean Oran und Craigmore. Die zwei hintersten Inseln im Loch Houron, wenn«, sagte ich nachdenklich, »ich sie finden kann.«
    »Eilean Oran und Craigmore.« Vielleicht täuschte ich mich, aber ich fand, daß ihr leichter französischer Akzent die original gälische Aussprache um ein vielfaches schöner klingen ließ. »Das ist alles so widersinnig. So abgrundtief widersinnig. Mitten in all diesem Gewirr von Haß, Geldgier und Mord. Und dann diese Namen. Sie atmen den Geist wahrer Romantik.«
    »Eine Täuschung! Weit von der Wirklichkeit entfernt, meine Liebe.« Ich mußte aufpassen, daß ich mich nicht genauso wirr benahm wie Onkel Arthur. »Diese Inseln atmen schiere, steinige Verzweiflung. Aber Eilean Oran und Craigmore sind der Schlüssel für alles. Davon bin ich überzeugt.«
    Sie sagte nichts. Ich starrte durch die Klarsichtscheibe und fragte mich, ob ich Dubh Sgeir eher zu sehen bekommen würde als es mich. Ein paar Minuten später fühlte ich eine Hand auf meinem Oberarm, sie war jetzt ganz nah bei mir. Die Hand zitterte. Ganz gleich, wo sie ihr Parfum her hatte, auf keinen Fall hatte sie es in einem Supermarkt gekauft, und es war auch nicht aus einem Knallbonbon gefallen. Ein paar Augenblicke fragte ich mich, ob es mir jemals gelingen würde, ein weibliches Wesen zu verstehen: Ehe sie dem entfloh, von dem sie bis jetzt geglaubt hatte, es sei ihr Leben, und ehe sie sich auf ihre lebensgefährliche Schwimmtour begab, hatte sie nicht vergessen, eine Flasche Parfum in ihren wasserdichten Beutel einzupacken. Denn kein Parfum hätte sich so lang gehalten, bis ich sie aus dem Hafen von Torbay herausgefischt hatte.
    »Philip?«
    Nun, das hörte sich schon besser an als das Gerede von Mr. Calvert. Ich war froh, daß Onkel Arthur nicht da war, dessen aristokratische Gefühle dadurch vielleicht verletzt worden wären. Ich sagte nur: »Ja?«
    »Es tut mir leid.« Es klang so, als ob sie es ernst meinte, und ich glaube, ich hätte versuchen sollen zu vergessen, daß sie einst die beste europäische Schauspielerin gewesen war. »Es tut mir wirklich leid. Das, was ich vorhin gesagt habe. Und auch, daß ich gedacht habe, Sie seien ein Ungeheuer. Ich meine wegen der Leute, die Sie getötet haben. Ich, nun ja, ich wußte nichts von Hunslett und Baker und Delmont und dem Hubschrauberpiloten. Das waren alles ihre Freunde. Es tut mir wirklich leid, Philip, wirklich.«
    Sie übertrieb jetzt. Außerdem war sie mir zu nah auf der Pelle. Viel zu nah. Man hätte wirklich eine Pinzette benötigt, um auch nur eine Spielkarte zwischen uns zu stecken. Und dieses Parfum, das sie auch nicht auf der Straße gefunden hatte. Schwindelerregend, so hätten es die Reklamefritzen in den Illustrierten genannt. Und während der ganzen Zeit bimmelten die warnenden Glocken in mir, als ob sie einen Veitstanz vollführten. Ich machte eine verzweifelte Anstrengung, mich gegen all das zu wehren, und wandte meine Gedanken höheren Dingen zu.
    Sie sagte nichts, sie drückte meinen Arm nur noch ein bißchen mehr, und ich ging beinah in die Luft. Das einzige, was mir etwas Sicherheit gab, war das

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