Das Monopol

von ihm so verehrten Kriegsmarine nicht den Gehorsam zu verweigern. »Warum holen Sie die Diamanten vom Schiff? Sollten wir nicht Moskau informieren und die Steine zu den entsprechenden Stellen bringen?«
    »Nein«, entgegnete Uljanow. »Die entsprechenden Stellen, wie Sie sie nennen, sind korrupt. Sie verkaufen unsere Heilige Mutter Russland an den Westen. An diese amerikanskii , die, wie Sie ja gesehen haben, die Diamanten bereits stehlen wollten.« »Aber ich … tut mir Leid. Ich verstehe es einfach nicht.« »Musst du auch nicht.« Uljanow zog seine schallgedämpfte Makarow aus dem Schulterhalfter und schoss Damow in den Kopf. Gleichmütig steckte er die Pistole wieder ins Halfter und ging über die Laufplanke auf die Alexandr Newskij. »Los. Los! Jetzt fahr schon!«, fuhr er seinen Steuermann an.
    Als die Alexandr Newskij Fahrt aufnahm, betrat Uljanow die Brücke und blickte seinen Ersten Offizier an. »Wie lange noch bis zur Puschkin?«
    »Eine Stunde und zwanzig Minuten.« »Charascho. Dann tun Sie’s jetzt.«
    Kaum eine Sekunde später war dumpfes Wummern zu vernehmen – der Sprengstoff im Maschinenraum der Rossija wurde mittels Fernbedienung zur Explosion gebracht. Dann ein zweites Wummern, dieses Mal mittschiffs. Explosionen an Bug und Heck folgten.
    Der Eisbrecher mit dem dreifach verstärkten Rumpf war gebaut worden, um extremer Belastung von außen standzuhalten, aber nicht von innen. In weniger als einer Viertelstunde war das feuerwehrrote Riesenschiff in den Wogen der Barents-See versunken.
    »Da?«
    »Molotok?«
    »Da, da. Uljanow, schto et …«
    »Sieg.«
    »Du hast sie?«
    »Wir haben die …« So mächtig die volki und ihre Verbündeten auch waren, Moskau hörte immer noch alles mit. »Wir haben es.«
    »Charascho! Otschen charascho!«
    »Du solltest sie mal sehen. Sie sind viel schöner, als ich mir vorgestellt habe. Pjaschinew, dieser Verräter, hat seine Sache wirklich gut gemacht. Hervorragende Qualität. Das Allerbeste, was Sibirien zu bieten hat. Wie Feuer. Schmuck für einen Zaren. Und noch dazu so viele. Es ist wie im Märchen.«
    »Das hast du gut gemacht.«
    »Aber es ist noch nicht vorbei. Nun müssen wir sie zu ihrem Ziel bringen.«
    »Sei vorsichtig!«
    »Wir haben den Plan doch lange und gründlich geübt. Alle meine Männer stehen auf ihrem Posten. Wenn du es nicht anders wünschst, gebe ich jetzt Befehl für den Beginn der Operation.«
    »Da. Ich werde die andere Seite informieren. Sei vorsichtig, mein Freund. Ich muss dich nicht erst daran erinnern, wie viel auf deinen Schultern ruht.« Für den sibirischen Bären und seinen treuesten Gefolgsmann war das kein abgegriffenes Klischee. Piet Slythe wurde mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Er fluchte. Soweit es ihn betraf, konnte nichts so wichtig sein, dass es nicht bis zum nächsten Morgen warten konnte. Ian stand neben seinem Bett und schüttelte ihn.
    »Verdammter Mist«, fluchte Slythe. »Was ist los? Weißt du nicht, wie spät …«
    »Es ist der Russe. Molotok.«
    »Und?«
    »Er ist am Apparat. Will mit keinem anderen sprechen.« Ian hielt seinem Chef den Hörer hin.
    »Dieser blöde bolschewistische Bauer!« Slythe setzte sich auf und nahm den Hörer. »Slythe am Apparat.«
    »Eto Molotok.«
    »Ja, und ich hoffe, Sie haben einen guten Grund, mich zu dieser Stunde aus dem Bett zu werfen.«
    »Da. Wir haben sie gefunden. Gefunden und genommen.«
    Slythe sprang aus dem Bett. »Endlich! Hervorragend!«
    »Da. Wir bringen zu vereinbartes Ziel. Dann Sie sind bereit?«
    »Meine Leute werden Sie erwarten. Seien Sie um Himmels willen vorsichtig.«
    Slythe legte auf und wandte sich an Ian.
    »Der Russe hat die Diamanten. Er ist auf dem Weg nach Aberdeen. Sag unseren Leuten, sie sollen sich bereithalten. Diesmal darf nichts schief gehen!«

 
    55.

Das Rettungsboot
     
    Rettungsboot der Claire Sailing
    Barents-See
    420 Meilen nordöstlich von Murmansk, 00.09 Uhr
     
    In der stockfinsteren Nacht zitterten die Schiffbrüchigen in der Kälte des Polarmeers. Immer wieder suchten sie Horizont und Himmel nach einem Rettungsschiff ab. Nichts. Eigentlich reichte die Erfahrung, in diesen eisigen Gewässern über Bord zu gehen, für ein ganzes Leben – ihnen jedoch war es schon zum zweiten Mal binnen einer Woche passiert. Das erste Mal war es allerdings geplant gewesen. Und jenes Rettungsboot hatte Motor und Vollverglasung gehabt, die sie vor den Elementen schützte. Die Rettungsboote der Claire jedoch waren zerstört; deshalb saßen