Das Monopol
Die Französin erlaubte sich ein Kichern über die dummen Briten. „Heute ist das Maßsystem genormt. Ein Karat wird in hundert Punkte unterteilt. Fünf Karat ergeben ein Gramm. Jeder Punkt entspricht dem Zweitausendstel eines Gramms. Ein extrem geringer Wert also. Ein Punkt mehr oder weniger kann einen großen Unterschied im Preis ausmachen. Eine interessante Übereinkunft in der Zunft besteht darin, dass die Punkte nicht, wie allgemein üblich, aufgerundet, sondern abgerundet werden. 99,8 Punkte werden daher nicht zu einem ganzen Karat aufgerundet, sondern zu 99 Punkten abgerundet.“
„Sehr konservativ und sehr kompliziert.“
„So sind Diamantenhändler nun mal.“
„Der Teufel steckt offensichtlich im Detail. Was ist mit dem Wert eines Steins? Wie wird der festgelegt?“
„Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie sich danach erkundigen.“ Ein verschmitztes Lächeln spielte um ihre Lippen. „Normalerweise stellen die Leute diese Frage zuerst. Wert und Preis hängen natürlich von den vier C ab. Aber auch von der relativen Größe des Diamanten.“
„Natürlich.“
„Das ist gar nicht so natürlich, wie Sie glauben. Es geht nicht um die Größe, sondern um die relative Größe. Bei Diamanten ergibt eins plus eins drei.“
„Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich Anwalt geworden bin, weil ich in Mathe eine absolute Null bin.“
Madame de la Pierre lächelte wieder. „Ich will es Ihnen erklären. Ein Stein kostet mehr als zwei halb so große Steine. Größere Steine sind seltener als kleine. Die Quadratzahlregel von Jeffrey und Tavernier verbindet Karatpreis und Karatgewicht.“ Sie beugte sich vor und schrieb mit schwungvoller Geste eine einfache Formel nieder.
„Um den Preis eines Steins zu bestimmen, muss man sein Karatgewicht zum Quadrat nehmen und es mit dem Preis eines Einkaräters von gleicher Farbe, Reinheit und gleichem Schliff multiplizieren. Sagen wir, ein Karat kostet zwei Dollar. Ein Dreikaräter würde demnach …“
„Achtzehn Dollar kosten.“
„Très bien. Ich glaube, Ihr Mathelehrer hat Ihnen unrecht getan.“
Carlton hielt es nun für an der Zeit, sich nach den Dingen zu erkundigen, die ihn wirklich interessierten. „Aber sind Diamanten tatsächlich so selten? Es gibt doch sogar Lagerstätten in Arkansas.“
Madame de la Pierre schien ihre Antwort sorgfältig abzuwägen. „Die meisten Menschen glauben, Diamanten seien wertvoll, weil sie selten sind“, sagte sie dann. „Sie sollen das glauben. Es wird ihnen eingeredet.“ Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, als befürchtete sie, die anderen Mitarbeiter von Cartier könnten ihr zuhören. „Der hohe Preis für Diamanten hängt nicht vom Wettbewerb ab, er wird vom Syndikat diktiert. Diamanten sind gar nicht so selten. Natürlich liegen sie nicht am Wegrand wie Kieselsteine, sind aber auch nicht so rar, wie die Diamantenindustrie die Leute glauben machen möchte. Jedes Jahr legt das Syndikat riesige Mengen von Diamanten auf Halde, um den Preis für die Steine hoch zu halten.“ Sie senkte den Blick. „Das ist alles, was ich dazu sagen kann, und Sie dürfen mich nicht zitieren. Ich habe Ihr Wort?“
Ihre Stimme klang fest, doch Carlton fiel das nervöse Flattern ihrer Lider auf.
„Selbstverständlich.“ Er stand auf. „Danke, dass Sie mir Ihre Zeit gewidmet haben, Ma’am. Wenn Ihnen noch etwas Wichtiges einfällt, können Sie mich unter dieser Nummer erreichen.“ Da er nicht wusste, wie Jarvik reagieren würde, gab er ihr seine persönliche Visitenkarte. „ Il n’y a pas de quoi, monsieur. Es war mir ein Vergnügen. Rufen Sie an, wenn Sie noch etwas brauchen.“ Sie lächelte. „Was es auch sein mag.“
Die Frau, die den Anruf entgegennahm, sprach mit einem gewissen Überschwang und starkem Südstaatenakzent. „Büro von Senator Bigham. Guten Morgen.“
„Guten Morgen“, grüßte Carlton. „Könnten Sie mir bitte den Namen des Referenten sagen, der sich um Bergbauangelegenheiten kümmert?“ Senator Bigham war der ältere der beiden Kongressvertreter von Arkansas. Sein Persönlicher Referent für Bergbauangelegenheiten konnte vielleicht ein wenig Licht in einige Dinge bringen.
„Natürlich, Sir. Das ist David Mazursky.“
„Könnten Sie mich direkt zu ihm durchstellen? Mein Name ist Pat Carlton. Vom Justizministerium.“ Das nur, um der Empfangsdame mitzuteilen, dass er als Mitarbeiter einer Behörde anrief. Einen Lobbyisten oder Reporter hätte sie sofort an untergeordnete Abteilungen
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