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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zum Einsatz gebracht werden … sofern die Lage absolut hoffnungslos aussieht. Vor fünf Minuten hatte
sich Lester Moran, der sich im Alter von einundzwanzig Jahren bei der Feuerwehr von Boston beworben hatte und abgelehnt worden war, weil er eine Stahlplatte im Schädel hatte, wie ein geprügelter Hund gefühlt. Jetzt fühlte er sich wie ein Mann, der auf Amphetaminen dahinraste. Jetzt war er ein Mann, der sich mit Freuden eine Kübelspritze auf den Rücken geschnallt hätte, die fast halb so viel wog, wie er selbst, und der sie die halbe Nacht herumgetragen hätte, während er den Rauch einatmete, wie manche Männer das Parfüm am Hals einer schönen Frau einatmen; er hätte gegen das Feuer gekämpft, bis die Haut seiner Wangen rissig und blasig geworden wäre und er keine Augenbrauen mehr gehabt hätte.
    Er verließ die Autobahn bei Newport und fuhr die Straße entlang, die nach Haven führte.
    Die Platte in seinem Schädel war die Folge eines schlimmen Unfalls, der passiert war, als Moran zwölf Jahre alt und Schülerlotse in der Junior-Highschool gewesen war. Ein Auto hatte ihn erfasst und dreißig Fuß weit geschleudert, bis sein Flug durch die sture Backsteinwand eines Möbelhauses jäh unterbrochen worden war. Man hatte ihm die Letzte Ölung gegeben; der Chirurg, der den Jungen operierte, hatte den weinenden Eltern gesagt, dass der Junge wahrscheinlich im Laufe der nächsten sechs Stunden sterben oder dass er mehrere Tage oder Wochen im Koma liegen würde, bevor es zu Ende ging. Stattdessen war der Junge noch vor dem Abend des gleichen Tages aufgewacht und hatte Eiscreme verlangt.
    »Ich glaube, es ist ein Wunder!«, schluchzte die weinende Mutter des Jungen. »Ein Wunder Gottes!«
    »Ich auch«, sagte der Chirurg, der Lester Moran operiert und der das Gehirn des armen Jungen durch das klaffende Loch in seiner zerschmetterten Schädeldecke gesehen hatte.

    Während er sich jetzt all diesem herrlichen Rauch näherte, verspürte Lester eine gewisse Übelkeit im Magen, aber die schrieb er der Aufregung zu und vergaß sie dann völlig. Die Platte in seinem Schädel war schließlich beinahe doppelt so groß wie die von Jim Gardener. Die Abwesenheit von Fahrzeugen der Feuerwehr, der Polizei oder der Forstverwaltung in der sich verdichtenden Düsternis fand er ungewöhnlich und seltsam erregend zugleich. Dann kam er um eine scharfe Kurve und sah einen bronzefarbenen Plymouth auf dem Dach im linken Straßengraben, dessen Rotlicht am Armaturenbrett immer noch blinkte. Auf der Seite stand DERRY F. D.
    Lester parkte seinen alten Ford-Kombi, stieg aus und eilte zu dem Wrack hinüber. Auf dem Lenkrad, dem Sitz und der Fußmatte auf der Fahrerseite war Blut. Auch auf der Windschutzscheibe waren Bluttropfen.
    Alles in allem eine ziemliche Menge Blut. Lester starrte es voller Entsetzen an, dann schaute er in Richtung Haven. Der untere Teil der Rauchsäule war jetzt dunkelrot, und er registrierte, dass er sogar das dumpfe Knacken brennenden Holzes hören konnte. Es war, als würde er neben dem größten offenen Hochofen der Welt stehen – oder als hätte der größte offene Hochofen der Welt plötzlich Beine bekommen und käme ihm langsam entgegen.
    Neben diesem Geräusch, neben dem Anblick dieses dunklen, aber dennoch titanischen roten Glühens erschienen ihm das umgestürzte Auto des Feuerwehrchefs von Derry und das viele Blut darin plötzlich nicht mehr ganz so wichtig. Lester ging zu seinem eigenen Wagen zurück, focht einen kurzen Kampf mit seinem Gewissen und siegte, indem er sich versprach, dass er beim ersten Münztelefon anhalten und die State Police in Cleaves Mills, nein, in Derry, anrufen würde. Wie die meisten guten Vertreter
hatte auch Lester eine detailgetreue Karte seines Bezirks im Kopf, und nachdem er diese zurate gezogen hatte, hatte er entschieden, dass Derry näher war.
    Er musste dem jammernden Drang widerstehen, das Auto sanft zur Höchstgeschwindigkeit anzutreiben … mehr als sechzig war das ohnehin nicht mehr. An jeder Biegung der Straße rechnete er damit, auf eine Straßensperre zu stoßen, auf wirr durcheinander parkende Autos, Funkgeräte, aus denen Meldungen in voller Lautstärke rauschten, brüllende Männer mit Helmen und Gummimänteln.
    Nichts dergleichen geschah. Statt auf Straßensperren und ein brodelndes Nest hektischer Aktivität stieß er auf den umgestürzten Pumpwagen aus Unity, mit abgebrochenem Fahrerhaus und einem Tank, aus dem sich noch der letzte Rest seines Inhalts ergoss.

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