Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.
Angstrom im Fond des großen schwarzen Wagens, schob den schweren Schleier beiseite und zündete sich eine Zigarette an. Sie war froh, daß Jon es abgelehnt hatte, mit ihr im gleichen Auto zu fahren, auch wenn diese öffentliche Bekundung der Respektlosigkeit nicht ohne Peinlichkeit war. Noch schlimmer war allerdings, daß er in seinem eigenen Wagen zur Beerdigung seines Vaters gekommen war – in diesem frechen, brandroten Sportwagen, der wie ein hungriges Dschungeltier brüllte und knurrte. Der fuhr jetzt irgendwo der Prozession voraus und fauchte die Straße genauso wütend an, wie Jon die Welt anfauchte. Manchmal wünschte sich Ellen, sie wären unverändert in jenem unbehaglichen Zustand mittelständischer Armut verblieben, in den Jon hineingeboren worden war. Der überraschende Erfolg ihres verstorbenen Mannes auf dem chemischen Sektor hatte zwar für sie seine Vorzüge, nicht jedoch für ihren Sohn. Sein altes Problem, der Mangel an Liebe, und das neue Problem, der Überfluß an Geld, gingen eine verheerende Verbindung ein, zumindest was Ellen betraf. Nur bekümmerte sie das nicht allzu sehr. Nicht wirklich. Sie dachte lieber an Egg.
Egmont O’Hara, dieser herrlich durchschaubare Mitgiftjäger, wartete jetzt in seinem Apartment auf sie und entwarf, dessen war sie sich sicher, gerade eine gekonnte kleine Beileidsansprache. Sie würde sie mit Freuden anhören. Mehr noch, sie würde die Rolle der trauernden Witwe mit Freuden spielen und sich von Egg trösten lassen, wie nur Egg trösten konnte .
Irgend etwas war mit dem Verkehr los. Rote Lichter blitzten, und überall standen Fahrzeuge in merkwürdigen Positionen auf der Straße herum. Sie beugte sich ungeduldig nach vorn und klopfte ans Glas; der Chauffeur kurbelte die Trennscheibe herunter und sagte: »Vor uns scheint irgendein Unfall zu sein, Mrs. Angstrom. Soll ich mal nachsehen?«
Sie machte eine ärgerliche Geste und stieg selbst aus. Sie brauchte nicht lange, um herauszufinden, daß ihr eigener Sohn an dem Unfall beteiligt war – die gewalttätige Farbe seines Wagens war nicht zu übersehen. Die häßliche, schnauzenförmige Motorhaube durch die Heftigkeit des Aufpralls zusammengedrückt, der rechte Kotflügel wie ein Stück rotes Tuch zusammengekrumpelt, so lehnte er als wirrer Haufen Blech an einem Telegraphenmast. Der Anblick erschreckte sie jedoch nicht, denn Jon stand in seinem schmutzigen grauen Sweater und seinen noch schmutzigeren Kordhosen neben dem Wrack, hatte eine Zigarette im Mund und fluchte durch ihren Rauch hindurch. Sie ging nicht zu ihm. Statt dessen stieg sie wieder in den Cadillac und bedeutete dem Chauffeur, er solle weiterfahren.
Sie war aber doch stärker mitgenommen, als sie gedacht hatte. Als sie vom Highway abbogen und in die Stadt hineinkamen, klopfte sie wieder an die Glasscheibe und sagte dem Chauffeur, er solle sie zu ihrer Wohnung bringen. Sie brauchte ein bißchen Zeit mit sich allein, dachte Ellen; sie würde nicht in ihrer schwarzen Trauerkleidung zu Egg gehen, wenngleich ihr diese Vorstellung schändlich reizvoll erschienen war. Sie würde sich umziehen.
Ein Fremder stand im Aufzug, als sie zum Penthouse hinauffuhr – ein gutaussehender Herr mit ernstem Gesicht und sorgfältig gepflegtem Schnurrbart. Während sie zusammen hinauffuhren, blickte sie ihn von der Seite her an, und er beantwortete dies damit, daß er den Hut abnahm.
Als sie auf der gleichen Etage ausstiegen, wußte sie, daß er sie ansprechen würde, aber es überraschte sie, daß er offensichtlich ihren Namen kannte.
»Mrs. Angstrom? Mein Name ist Dr. Pepys. Ich weiß, daß dies ein schlechter Zeitpunkt ist, um Sie zu behelligen ...« Er sah betont auf ihre Kleidung. »Ich wäre Ihnen aber doch sehr verbunden, wenn ich Sie einen Augenblick sprechen dürfte.«
»Kenne ich Sie?« sagte Ellen und blickte ihn mißtrauisch an.
»Nein, ich fürchte, ich hatte nie das Vergnügen. Ich kenne jedoch Ihren Sohn, und es ist Jon, über den ich gern mit Ihnen sprechen würde.«
Sie runzelte die Stirn. »Es tut mir leid, Dr. Pepys. Aber ich habe eine sehr wichtige … ich meine, ich bin im Augenblick einfach nicht in der Verfassung, mit jemandem zu sprechen. Ich komme gerade von der Beerdigung meines Mannes.«
»Ja, ich weiß«, sagte er entschuldigend. »Und wie ich höre, war Ihr Sohn in irgendeinen Unfall verwickelt …«
»Na, wenn’s das ist, was Ihnen Kummer macht, dann können Sie’s vergessen. Jon
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