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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Mrs. Angstrom?«
    Sie antwortete nicht. Der Herr aus der Zukunft nahm ihr die Kugel aus der Hand und steckte sie mit einem Seufzer wieder in seine Tasche. Dann sprach er sanft auf sie ein und sagte ihr, was sie zu tun hätte.
    Als Ellen Angstrom um vier Uhr von ihrem Rechtsanwalt zurückkam, war sie mit den Ergebnissen ihres Besuches recht zufrieden. Ihr Mann war, was die ihre Trennung be­treffenden Abmachungen anbetraf, erstaunlich entgegen­kommend gewesen, ja, sein eigener Anwalt schien sogar verärgert darüber gewesen zu sein, daß er ihre harten Be­dingungen so gelassen hinnahm. Nicht, daß diesen prozen­tualen Vereinbarungen große Bedeutung zugekommen wäre – ihr Mann war nie ein großer Geldverdiener gewe­sen.
    Sie hielt auf der Etage unterhalb ihrer Wohnung an und wollte an Mrs. Whittakers Tür klingeln. Sie konnte drin­nen die schrille Stimme des fünfjährigen Jonny hören, und auch, wie Mrs. Whittaker, die entgegenkommende alte Dame, die die Aufgaben eines Babysitters ganz unentgelt­lich übernahm, lachend antwortete. Na, er ist glücklich, dachte Ellen mit einem Achselzucken. Kann mir also auch mal einen friedlichen Nachmittag gönnen. Sie fuhr mit dem Lift einen Stock höher, betrat ihre eigene Wohnung und machte sich einen Drink zurecht.
    Als es eine halbe Stunde später an der Tür klingelte, fühlte sie sich angenehm duselig und mit der Welt ver­söhnt. Sie lächelte den distinguierten Herrn mit Schnurr­bart an, und ihre Stimme klang kokett, als sie sagte: »Ja, bitte?«
    »Mrs. Angstrom? Mein Name ist Dr. Pepys. Dürfte ich Sie wohl einen Augenblick sprechen?«
    »Aber klar doch. Kommen Sie rein«, sagte Ellen und drückte sich die frisch gelegten Löckchen auf ihrem Hin­terkopf zurecht. »Ich hab mir gerade einen kleinen …« Sie hielt inne und betrachtete ihn neugierig, als er zielstrebig auf einen Sessel zusteuerte. »Kenne ich Sie nicht irgend­woher?«
    »Das glaube ich nicht, Mrs. Angstrom. Aber ich kenne Ihren Sohn Jonny.«
    »Oh.« Ihre Stimme wurde flach. »Dann müssen Sie je­mand von seiner Schule sein. Nun, Sie müssen sich sei­netwegen keine Sorgen mehr machen, Doktor. Jetzt wird alles ganz anders werden.«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen.«
    »Ich weiß, daß er ein richtiges kleines Ungeheuer war, aber Sie müssen das verstehen. Mein ... mein Mann und ich hatten ein paar Schwierigkeiten, aber die sind jetzt alle be­hoben. Ich habe sogar daran gedacht, Jonny von der Schule zu nehmen und ihn irgendwo … in einer Privatschule un­terzubringen. Irgendwo, wo sie mit Problemkindern umge­hen können. Ich glaube, das wäre das beste für ihn.«
    »Ja«, sagte Dr. Pepys und berührte die Spitze seines säu­berlich getrimmten Schnurrbarts. »Ich habe gehört, daß es solche Schulen gibt. Aber wo, meinen Sie, liegt eigentlich das Problem Ihres Sohnes, Mrs. Angstrom?«
    Sie lachte scharf. »Das kann ich Ihnen mit einem Wort sagen, Doktor. Verwöhnt. Eine Krankheit, die er von sei­nem Vater hat, aber jetzt wissen wir, was es ist. Jetzt wird er irgendwo hinkommen, wo nicht gleich jeder losrennt, wenn er bloß den Mund aufmacht.«
    »Ich verstehe. Und das wird eine Art ... Internat sein? Fort von zu Hause?«
    »Ja. Ich brauche dringender einen Urlaub von ihm als er einen von mir. Das allerbeste für uns beide.«
    »Und was ist mit Ihrem Mann?«
    »Mit dem? Der ist viel zu beschäftigt damit, etwas aus seiner chemischen Fabrik zu machen. Eine Million Dollar mit Wunderdrogen, heißt es hier. Ich glaube nicht, daß er sich groß Gedanken darüber macht, wo Jonny ist.« Sie mußte aufstoßen und schaute mit gerunzelter Stirn auf ihr Glas. »Weshalb wollten Sie mich denn nun eigentlich sprechen, Doktor ...?«:
    »Pepys«, sagte der Mann. »Es ist nichts wirklich Wich­tiges, Mrs. Angstrom. Ich wollte nur einmal sehen, wie es Jonny geht. Er erschien mir immer als ein so aufgeweck­ter, intelligenter Junge …«
    »Schlau«, murmelte Ellen, und sie merkte, daß der ange­nehme Rausch vorbei war und nun die Trunkenheit einsetzte.
    »Zu verdammt schlau, wenn Sie mich fragen.«
    »Ja«, sagte der Mann und griff in seine Tasche. »Ob Sie mir wohl noch einen Gefallen tun würden, Mrs. Angstrom?«
    »Was denn?«
    »Würden Sie dies bitte einen Augenblick lang anschau­en?«
    Er gab ihr eine seltsam leuchtende Kugel, in deren Inne­rem sich eigentümliche Lichter bewegten.
    Endlich von dem Zwang befreit, ernst und unglücklich aussehen zu müssen, entspannte sich Ellen

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