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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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hinderte sie einen Augen­blick lang an einer wütenden Antwort. Dann zog sie die Nadel mit einem Ruck heraus und sagte: »Was erwarten Sie eigentlich? Jedesmal, wenn ich mit einer Arbeit anfan­ge, klingelt es an der Tür. Oder das Telefon. Oder der ver­fluchte Ofen spielt verrückt.«
    Sie stampfte mit dem Fuß auf, als Jonathon einen weite­ren Windelwechsel unbedingt erforderlich machte. »Oh, mein Gott!« sagte sie, den Tränen nahe. »Sie haben sich einen schönen Tag ausgesucht, um in Ihre Maschine da zu steigen …«
    »Sie meinen, es geht nicht immer so zu wie im Augen­blick?«
    »Natürlich ist es immer so.« Sie wirbelte zu ihm herum. »Sie werden ihm deshalb, nehme ich an, erzählen, daß es seine Mutter, seine arme, unfähige Mutter war, die ihm zu seinen Macken verholfen hat, als er noch ein Baby war. Und daß er deshalb so durcheinander ist, ja?«
    »Für mich ist nichts gesichert«, sagte Pepys ruhig. »Es gibt im Leben eines Kindes so viele Einflüsse ...«
    »Einflüsse! Ich werd Ihnen mal einen Einfluß vorführen. Warten Sie bloß ab, bis mein Mann nach Hause kommt. Dann werden Sie Mr. Einfluß persönlich kennenlernen. Als erstes wird er so viele Martinis in sich hineinschütten, daß er noch vor neun vor dem Fernseher einschläft. Und wenn er den ganzen Abend mehr als zehn Worte an mich richtet, dann werd ich die auf ein Mustertuch sticken und in die Diele hängen …«
    »Jonathon scheint seinen Vater gemocht zu haben«, sag­te der Doktor zögernd.
    »Da bin ich sicher. Klar werden sie zu großen Zechkum­panen heranwachsen. Und er wird wahrscheinlich auch so ein Chemiker mit hundert Dollar die Woche wie der …« Sie sah ihren Besucher scharf an, sich einer einzigartigen Gelegenheit bewußt werdend. »Oder nicht?« fragte Ellen. »Was macht Jonathon?«
    »Es tut mir leid, aber das darf ich Ihnen nicht sagen, Mrs. Angstrom. Ich kann Ihnen gar nichts darüber mittei­len, was geschehen ist. Das ist eine unserer strengsten Vorschriften.«
    Inzwischen war das Kind mit einem kalten Milchfläsch­chen zur Ruhe gebracht worden. Ellen seufzte, kämpfte mit seinem Nachthemdchen und legte ihn dann in sein Bettchen. Als sie aus dem Kinderzimmer gingen, sagte der Psychoana­lytiker: »Ich entnehme Ihren Äußerungen, daß Sie mit Ihrem Mann nicht eben auf gutem Fuße stehen, Mrs. Angstrom.«
    »Auf gutem Fuße! Das ist schön gesagt.« Sie setzte sich und zündete sich eine Zigarette an. »Mein Mann und ich sind zu einer Übereinkunft gekommen, Doktor. Er macht, was er will, und ich tue, was er will. Mir graut bei dem Gedanken daran, was passiert wäre, hätte ich ein Mädchen produziert statt dem da.« Sie wies mit dem Daumen in Richtung des stillen Kinderzimmers. »Er hat mir praktisch befohlen, einen Jungen zu kriegen.«
    »Wirklich?« murmelte Pepys.
    »Ja, wirklich. Mein Mann mag keine Mädchen, Dr. Pepys. Nicht, bevor sie nicht über achtzehn sind. Dann mag er sie.«
    »Sie verdächtigen ihn der ... der Untreue?«
    »Ich muß ihn gar nicht verdächtigen, Doktor. Er hat nicht einmal genug Anstand, das zu verheimlichen.«
    Der Doktor sah auf die Uhr.
    »Fast halb sieben«, sagte er. »Ich fürchte, ich muß mei­nen Besuch jetzt beenden, Mrs. Angstrom. Sie haben mir sehr geholfen, und ich danke Ihnen. Bevor ich aber gehe, möchte ich Sie noch bitten, sich dies hier einmal ganz ge­nau anzusehen.«
    Er griff in seine Tasche und zog eine kleine, schwach leuchtende Kugel hervor. In ihrem Inneren bewegte sich etwas, und Ellen nahm sie mit neugierigem Blick in die Hand.
    »Was ist das?« fragte sie, die Augen auf die seltsamen, bedeutungslosen Bewegungen der winzigen, in dem durchsichtigen Ball hin und her wandernden Lichter ge­heftet.
    »Bitte schauen Sie sie weiter an. Es tut mir leid, aber dies ist eine notwendige Ergänzung meiner Forschungsar­beit. Wenn Sie das Objekt weiter betrachten, werden Sie eine starke hypnotische Anziehungskraft verspüren. Inner­halb etwa einer Minute werden Sie dann in einen tiefen Trancezustand geraten. Es wird Ihnen nichts geschehen; dies ist nur einfach eine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Aber wieso?« sagte Ellen, unfähig, ihre Augen von der Kugel zu wenden.
    »Es ist nichts, was Sie beunruhigen müßte. Wenn Sie die Endphase der Trance erreicht haben, werde ich Sie bitten, meinen heutigen Besuch hier zu vergessen, damit Sie nicht in Versuchung kommen, anderen davon zu erzählen oder sich unnötige Gedanken darüber zu machen. Das ist wirk­lich alles, Mrs. Angstrom.

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