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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Rücken erhoben. Er sah die Gestalten, die auf sie zukamen.
    Als die Hände ihn ergriffen, wurde er schlaff und still und ließ sich widerstandslos abführen.
    Das Tribunal erhob schnell Anklage.
    D ie Wachen, ihre Gewehre fest gegen die Brust ge­drückt, betrachteten ihn weder mit Haß noch mit Feindse­ligkeit.
    D ie Richter waren weniger leidenschaftslos.
    »L ieutenant Bolgar?«
    E r starrte über ihre Köpfe hinweg.
    »J anice Damon?«
    D as Mädchen trat vor, noch immer schluchzend.
    »J a ...« sagte sie. »Das ist er. Er hat mich beobachtet. Ich weiß es. Ich habe ihn da bei den Unterkünften herum­lungern sehen.«
    D ie Frau in der seidenen Uniform blickte ernst drein.
    »I hnen sind viele Privilegien zugestanden worden, Lieu­tenant«, sagte sie scharf. »Aber es hat den Anschein, als wenn Männer« – sie sprach das Wort mit Widerwillen aus – » ihre Privilegien stets ausnützen müßten. Haben Sie et­was zu sagen?«
    E r schüttelte den Kopf.
    »E s ist Gier, wissen Sie«, sagte die Frau vertraulich. Die anderen Frauen des Tribunals nickten zustimmend. »Gier ist der Untergang aller Männer. Wie viele Kriege müßt ihr noch verlieren, bis ihr das kapiert habt?«
    E r sagte nichts.
    »S chickt ihn in die Zuchtstation«, sagte die Frau gleich­gültig. »Er wird für seinen Kuß bezahlen.«
    S ie sah das Mädchen voller Mitgefühl an.
    »D ein Lippenstift ist verschmiert, Schätzchen.«

Der Job
    C hris hatte es kommen sehen. Er kannte dieses väterli­che Leuchten in Professor Danes Augen. Und kaum hatte die Glocke den anderen ihre Freiheit geschlagen, da deutete Dane auch schon mit dem Bleistift auf ihn und sagte: »Ach, Chris, würdest du bitte nach dem Unterricht einen Augenblick hierbleiben?« Chris nickte mürrisch, zerrte an dem Riemen um seine Bücher und streckte die Beine in den Gang aus.
    Dane raschelte noch ein wenig mit irgendwelchen Papie­ren, ehe er zur Sache kam. Demokratisch begab er sich auf Chris’ Ebene, indem er zu ihm nach hinten kam und sich mit übergeschlagenen Beinen auf einem Tisch in seiner Nähe niederließ.
    »Vielleicht weißt du schon, was läuft«, lächelte er. Dane war für einen außerordentlichen Professor noch jung, aber seine Versuche, mit Chris in der Sprache der Achtzehnjäh­rigen zu sprechen, wirkten auf den Jungen peinlich.
    »Ich nehme an, mein alter Herr hat Sie angerufen«, sagte Chris bedrückt. »Er hält nicht gern Vorlesungen, er findet, das ist Ihr Job.«
    »Ich will dir keine Vorlesung und auch keine Standpau­ke halten, ich will einfach nur mit dir reden.«
    »Hören Sie, Professor, ich bin mit ein paar von den Jungs verabredet …«
    »Was für Jungs, Chris?«
    Dieser stieß die Luft aus. »Okay«, sagte er, »mit Nickie Cooke und seinem Bruder. Haben Sie was dagegen?«
    »Das weißt du ganz genau.« Dane beugte sich zu ihm vor.
    »Chris, ich mache mir Sorgen um dich. Ich frage mich, was du nach dem Unterricht treibst mit deinen Spezis da. Ich kenne Nickie Cooke, ich war an dem Tag auf dem Campus, als er Professor Wald niederschlug und vom Col­lege geschmissen wurde. Auch seinen Bruder Hal kenne ich. Der ging mit fünfzehn von der High-School ab. Seine weitere Erziehung verdankt er dem staatlichen Landerzie­hungsheim für jugendliche Straftäter. Ist das die Art von Gesellschaft, in der du dich wohlfühlst?«
    »Es sind meine Freunde.«
    Dane seufzte. »Was ist mit dir im letzten Jahr passiert, Chris? Im ersten Semester warst du der vielversprechend­ste Student von allen. Kannst du dich noch an unsere Ge­spräche erinnern? Übers Unterrichten?«
    »Ich erinnere mich«, sagte dieser mürrisch.
    »Damals dachtest du, der Lehrberuf wäre der tollste Be­ruf auf der ganzen Welt. Du warst bereit, hart zu arbeiten, um dann auf die Pädagogische Hochschule zu gehen. Du hattest das Zeug dazu, und du hast es noch immer.«
    »Aber jetzt bin ich nicht mehr daran interessiert, Profes­sor. So einfach ist das.«
    »Was hat dich denn dazu gebracht, deine Meinung zu ändern? War es dein alter Herr?«
    Chris schnaubte. »Mein Vater hat nichts damit zu tun. Der kann doch kaum bis drei zählen.«
    »Ich meine, weil er seinen Job verloren hat. Es muß um die Zeit gewesen sein, als deine Mutter wieder zu arbeiten begann, daß du anfingst, mit Cooke rumzulaufen. War das die Ursache?«
    »Vielleicht. Oder vielleicht hatte ich einfach die Nase davon voll, dauernd nur hinter Büchern zu hocken. Viel­leicht wollte ich mal was vom Leben haben.« Er war fest

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