Das Moskau-Komplott
Freunde in der russischen Regierung«, erklärte sie. »Er nimmt es ziemlich persönlich, wenn sie kritisiert werden.«
»Ich wollte nicht respektlos sein, Mr. Charkow. Und ich finde, Sie haben interessante Argumente vorgebracht.«
»Aber keine stichhaltigen?«
»Es ist meine Hoffnung und die Hoffnung des Dillard Center, dass Russland eines Tages eine
richtige
Demokratie wird statt einer gelenkten.«
»Russland hat bereits eine Demokratie, Sarah. Aber meine Frau hat recht, wie immer. Wir sollten das Thema wechseln.« Er sah Michail an. »Warum hat Ihre Familie Russland verlassen?«
»Mein Vater erhoffte sich in Amerika bessere Chancen als in Moskau.«
»War Ihr Vater ein Dissident?«
»Er war sogar in der Partei. Er war Lehrer.«
»Und haben sich seine Hoffnungen erfüllt?«
»Er hat an einer Highschool in New York Mathematik unterrichtet. Dort bin ich aufgewachsen.«
»Ein Schullehrer? Er ist ins ferne Amerika ausgewandert, um Lehrer zu werden? Was ist das für ein Mann, der sein Land verlässt, um in einem anderen an einer Schule zu unterrichten? Sie sollten die Dummheit Ihres Vaters wiedergutmachen und nach Russland zurückkehren. Sie würden Moskau nicht wiedererkennen. Wir brauchen begabte Leute wie Sie, die dabei helfen, die Zukunft unseres Landes aufzubauen. Vielleicht könnte ich in meiner eigenen Organisation einen Posten für Sie finden.«
»Ich bin dort, wo ich bin, ganz zufrieden, aber danke für Ihr Angebot.«
»Aber Sie haben es ja noch gar nicht gehört.«
Iwan zeigte ein Lächeln. Es war so angenehm wie ein plötzlicher Riss in der Eisdecke eines zugefrorenen Sees. Wieder bat Elena um Entschuldigung.
»Sie müssen die Reaktion meines Mannes verzeihen. Er ist es nicht gewohnt, dass jemand Nein zu einem seiner Angebote sagt.« Dann zu Iwan: »Du kannst es morgen noch einmal probieren. Sarah und Michail kommen am Nachmittag in die Villa.«
»Ausgezeichnet«, sagte er. »Ich lasse Sie von einem Wagen im Hotel abholen.«
»Wir haben einen Wagen«, entgegnete Michail. »Ich bin sicher, wir finden den Weg.«
»Seien Sie nicht albern. Ich lasse Sie von einem richtigen Wagen abholen.«
Iwan schlug die Speisekarte auf und bestand darauf, dass alle seinem Beispiel folgten. Dann lehnte er sich so weit zu Sarah hinüber, dass seine Brust gegen ihre nackte Schulter drückte.
»Nehmen Sie die Frühlingsrollen mit Hummer und Mango als Vorspeise«, empfahl er. »Ich garantiere Ihnen, Ihr Leben wird danach nicht mehr dasselbe sein.«
39 Gassin, Frankreich
In der alten Steinvilla bei Gassin war das Abendessen an diesem Tag in aller Eile eingenommen worden: Baguette und Käse, grüner Salat, Brathähnchen aus der Metzgerei am Ort. Die abgenagten Knochen lagen noch auf dem Gartentisch verstreut zwischen Brotkanten, drei leeren Flaschen Mineralwasser und einem Touristenprospekt, der für Hochseeangeltouren auf dem fast leer gefischten Mittelmeer warb. Auf dem Titelblatt des Prospekts war ein Junge abgebildet, der einen Thunfisch, doppelt so groß wie er selbst, in den Armen hielt. Alles hätte wie gewöhnlicher Müll aussehen können, wäre da nicht die kurze Nachricht gewesen, die hastig auf das Foto des Jungen gekritzelt war. Michail hatte sie geschrieben und bei einem klassischen Manöver auf der Place Carnot Jaakov zugesteckt. Gabriel starrte sie jetzt an, als versuche er, sie allein kraft seines Willens umzuschreiben. Das Kinn auf die Hand gestützt, sah ihm Eli Lavon dabei zu wie ein Schachgroßmeister, der seinen unterlegenen Gegner anfleht, endlich zu ziehen oder aufzugeben.
»Am meisten stört mich, glaube ich, dass sie abgeholt werden«, sagte Lavon schließlich in dem Bemühen, Gabriel eine Reaktion zu entlocken. »Vielleicht ist mir einfach nicht wohl bei dem Gedanken, dass Iwan sie nicht in ihrem eigenen Wagen kommen lassen will.«
»Vielleicht ist er nur ein Kontrollfreak«, erwiderte Gabriel in zweideutigem Ton, als wolle er nur eine mögliche Erklärung, aber keine dezidierte Meinung äußern. »Vielleicht will er nur keine fremden Autos auf seinem Grundstück haben. In fremden Autos können seltsame elektronische Geräte versteckt sein. Manchmal können da sogar Bomben versteckt sein.«
»Vielleicht will er auch nur wissen, ob sie beschattet werden, bevor er sie aufs Grundstück lässt. Vielleicht lässt er die Details auch einfach beiseite und bringt sie stattdessen gleich um.«
»Er wird sie nicht umbringen, Eli.«
»Natürlich nicht«, sagte Lavon sarkastisch. »Iwan würde
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