Das Moskau-Spiel
»Das haben wir alles schon durchgespielt. Erstens wissen wir nicht, ob den Genossen nach der Gesundung nicht der Mut verlässt. Zweitens wissen wir nicht, was der Arzt in der Zwangspause anstellt oder was mit ihm angestellt wird. Nachher entdeckt er sein Gewissen oder wird versetzt … Drittens lassen sich die Amerikaner darauf mitSicherheit nicht ein, und sie werden das Geld zurückfordern, und wenn sie es nicht kriegen, dann werden sie sich irgendeine Schweinerei einfallen lassen, um es uns heimzuzahlen, was mit großer Wahrscheinlichkeit unseren Plan scheitern lassen würde. In Lefortowo wären uns die Hände gebunden. Und wenn wir ihnen das Geld zurückgeben, na, dann wären wir sowieso am Ende.« Er lächelte schief.
Henri schnaubte leise. Es waren großartige Alternativen. »Wie ich das ruhmreiche KGB , Schild und Schwert der Partei der Arbeiterklasse, Vollstrecker des Vermächtnisses des großen Feliks Edmundowitsch Dserschinski, kenne, hat es schon einen Plan entwickelt, der uns trotz aller Widrigkeiten zum Sieg verhelfen wird …«
Eblow brummte: »Lächerlich machen kann ich mich selbst viel besser. Ich gebe ja zu, dass wir dastehen wie Idioten. Wahrscheinlich sind wir auch welche und haben es nur verdient. Aber wir vollenden, was wir begonnen haben. Wir haben keine Wahl. Es wurden Menschen eingeweiht, es wurde die CIA eingeweiht und Sie ja auch.« Er blickte Henri wütend an. »Wenn sie mir den Genickschuss verpassen, dann soll es sich wenigstens gelohnt haben. Sollten wir jetzt nicht tun, was wir uns vorgenommen haben, dann wären wir nicht nur elende Feiglinge, sondern auch dumm. Wenn wir Erfolg haben, kommen wir vielleicht davon. Wenn wir aufgeben, wird irgendwer irgendwann das Maul nicht halten, wegen des Suffs, wegen der Frauen, wegen der Angst oder wegen des Gelds, das ihn als Belohnung erwartet.«
»Aber das Geld …«, sagte Henri.
»Was bedeutet schon Geld?« Eblow stieß eine große Rauchwolke aus und zerfetzte sie mit der Hand.
Henri wusste, was es bedeutete. Dass die CIA nicht ruhen würde, bis sie ihn getötet hatte.
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XIII .
Theo blickte sich verstohlen um, niemand folgte ihm. Da war ein Suffkopf an den Einsatzkräften des FSB vorbeigetorkelt, na und? Während er sich weiter von der Gerichtsmedizin entfernte, war er fast versucht, ein Lied zu pfeifen. Doch er wollte nicht übermütig werden. Er würde sie warten lassen, bis ihnen richtig schön kalt war. Und mit ein bisschen Glück würden sie die Aktion noch in der Nacht abbrechen. Sie erwarteten ihn kurz nach Mitternacht, weil sie dachten, er würde Sonjas Rat folgen. Aber Theo hatte sich vorgenommen, dass ihn einer höchstens einmal hereinlegte, und das war schon einmal zu viel. Er suchte sich in aller Ruhe eine Gaststätte, wo es schön warm war und er etwas essen konnte. Der Flachbildschirm an der Wand zeigte ein Fußballspiel, dem er nun eine Weile aufmerksam folgte. Es gab Schlimmeres. Es war ein technisch ansehnliches Match zwischen Zenit St. Petersburg und Lokomotive Moskau mit Vorteilen für Zenit. Die Pelmeni waren in Ordnung, dass er nach Wodka stank, störte niemanden, seinen Durst löschte er mit Wasser.
Gegen zwei Uhr morgens saßen immer noch drei Männer an Tischen und betranken sich. Zenit hatte längst gewonnen, Theo das Essen verzehrt und das Wasser getrunken. Als er bezahlte, zog er seinen Mantel falsch herum an, das dunkle Futter nach außen, der alte Trick, der so oft wirkte. Draußen fiel ihm nichts auf, und er fand es auch mehr als unwahrscheinlich, dass das FSB ihm bisher auf die Spur hätte kommen können.
Er lief die Strecke zurück, die er gekommen war. Am Bürgersteigrand lag schmutziger Schnee, am Himmel glitzerten unzählige Sterne, aber Theo war nicht romantisch, schon gar nicht an diesem Abend. Zwei Männer kamen ihm entgegen, dunkelhäutige Typen, beide mit Schnurrbärten, die klassischen Opfer der Moskauer Miliz. Aber von der oder dem FSB war nichts zu sehen. Theo beeilte sich nicht, auch wenn er mit jedem Schritt ängstlicher wurde. An einer Ecke blieb er stehen und tat so, als müsste er den Schnürsenkel binden. Dabei sah er sich unauffällig um, doch niemand schien ihm zu folgen. An der nächsten Ecke stoppte er wieder, sicherte erneut die Gegend, dann schaute er in die kleine Straße hinein. Die Lieferwagen waren verschwunden. Er ging die Straße hinunter, immer gewärtig, in die Falle zu tappen. Aber auch die drei Limousinen am Straßenrand vor der Gerichtsmedizin standen nicht mehr
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