Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
belebende Wirkung der kalten, sauberen Luft. »Auf geht’s.«
Beidhändig führte sie die Dietriche behutsam ins Schloss ein. Nachdem sie mehrere Sekunden vorsichtig herumprobiert hatte, spürte sie, wie es aufsprang. Mit einem leisen Seufzer der Erleichterung steckte sie die Dietriche zurück in ihre Westentasche und richtete sich auf. »Aufgepasst, Leute«, sagte Randi leise. »Ich breche ein … jetzt!«
Damit stieß sie die Tür auf, betrat Kesslers Haus und ließ die Tür gleich wieder ins Schloss fallen. Sie befand sich in einer geräumigen Eingangshalle, die von einem Kronleuchter erhellt wurde,
der hoch oben an der Decke hing. An beiden Seiten der Halle waren Türen, die in weitere Räumlichkeiten führten – in Salon oder Wohnzimmer zur Linken und einen anscheinend formellen Empfangsraum zur Rechten. Eine breite, gewundene Treppe führte in die erste Etage.
»30 Sekunden«, sagte Randis Teamkollegin über das Headset und begann, laut und deutlich den Countdown auf ihrer digitalen Stoppuhr herunterzuzählen.
Hastig ließ Randi den Blick durch die Halle schweifen, sie suchte die Steuerung der Alarmanlage. Da war sie! In einem kleinen grauen Plastikkasten, der auf Augenhöhe gleich rechts neben der Tür angebracht war. Auf der Vorderseite, über einer Tastatur mit zehn Zahlen, blinkte ein kleines rotes Licht und signalisierte, dass Alarm ausgelöst worden war, sobald sie die Schwelle überschritten hatte. Randi kniff die Augen zusammen. Ihr blieben höchstens dreißig Sekunden; so lange ließ das System dem Hausbesitzer Zeit, seinen Sicherheitscode auf der Tastatur einzugeben. Danach würde der Alarm losgehen und umgehend der nächsten Berliner Polizeistation melden, dass ein Einbruch im Gange war.
Sofort riss Randi einen anderen Klettverschluss auf und zog einen kleinen Akkuschrauber aus der Tasche. Sie setzte das Bit auf die erste der zwei Schrauben, die den Deckel vorn auf dem Plastikkasten hielten und mit einem leisen Surren lief das Gerät an.
»Fünfundzwanzig Sekunden.«
Die erste Schraube fiel in Randis behandschuhte Hand. Sie wandte sich der zweiten Schraube zu, die sich ebenfalls problemlos lösen ließ. Randi nahm den Deckel ab und spähte ins Kasteninnere, hinter einem Wirrwarr aus verschlungenen bunten Kabeln, die mit einer Schaltplatine verbunden waren, suchte sie nach dem kleinen Schild, das ihr den Typ des Alarmsystems verraten würde.
»Zwanzig Sekunden.«
Randi spürte ihren Mund trocken werden. Wo war diese verflixte Typennummer? Die Zeit lief ihr weg. Endlich entdeckte sie
das kleine Schild an der Rückwand des Schaltkastens. »Mike! Das System heißt TÜRING 3000.«
»Okay, Randi«, sagte der CIA-Techniker. »Nimm Platine fünf. Lös das grüne Kabel und steck es in der neuen Platine an Position eins. Dann das schwarze Kabel an Position zwei. Verstanden?«
»Verstanden«, bestätigte Randi, indem sie eine spezielle vorkonfigurierte Systemplatine aus einer ihrer Westentaschen zog.
»Zehn Sekunden.«
Eilig befolgte Randi die Instruktionen, die man ihr gegeben hatte, und steckte die Kabel von der alten Platine auf die, die sie mitgebracht hatte. Ihr Puls raste jetzt so sehr, dass sie ihn in den Ohren klopfen hören konnte. Eine furchtsame Stimme in ihrem Kopf begann, sich zu beschweren, dass sie nicht schnell genug arbeite, dass der Alarm trotz all ihrer Bemühungen gleich losgehen würde. Sie tat ihr Bestes, das zu ignorieren, und sich stattdessen auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.
»Fünf Sekunden. Vier. Drei …«
Das zweite Kabel war jetzt mit der Platine, die sie in der Hand hielt, verbunden. Augenblicklich bekam das Alarmsystem neue Befehle, die den Instruktionen ähnelten, die ferngesteuert von Kesslers Sicherheitsfirma geschickt worden wären, wenn die Anlage nach einem falschen Alarm wieder hätte gestartet werden müssen. Das rote Licht wurde grün.
Erleichtert atmete Randi aus. Wenn sie im Haus fertig war, konnte sie den Prozess einfach umkehren, den Deckel wieder aufschrauben und durch die Eingangstür verschwinden, ohne handfeste Beweise dafür zu hinterlassen, dass jemand sich an dem Alarmsystem zu schaffen gemacht hatte.
»Alles in Ordnung«, melde sie leise. »Ich schau mich jetzt um.«
Randi begann mit einer raschen, aber gründlichen Durchsuchung von Kesslers Villa, im Erdgeschoss angefangen bis hin zu den Räumen in der oberen Etage. Eins fiel ihr bereits auf den ersten Blick auf. Ulrich Kessler war Kunstsammler, ein echter Liebhaber
mit einer Vorliebe
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