Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
Selbst an der frischen Luft waren die Gerüche, die von ihnen ausgingen, penetrant. Er nickte mit dem Kopf. Aber so unbequem und beschämend diese Verkleidungen auch waren, sie erwiesen sich als erstaunlich hilfreich.
»Komm, Fiona«, drängte Kirow. »Wir sind fast am Ziel. Es sind nur noch knapp hundert Meter, gleich da vorn die nächste kleine Straße hinunter.«
Immer noch leise vor sich hin schimpfend zwang Fiona sich wieder auf die Füße, die in Stiefeln steckten, die mindestens eine Nummer zu klein waren, und schlurfte in die von Kirow angegebene Richtung. Gemeinsam humpelten sie die Uliza Arbat entlang und hinkten dann in eine Gasse mit kleinen Geschäften, die Bücher, neue und gebrauchte Kleidung, Parfum und Antiquitäten feilboten.
Geduldig geleitete der Russe sie zu einer schmalen Tür in der Mitte der Gasse. Im schmutzigen Schaufenster neben der Tür waren
außer einer schlecht ausgeleuchteten Sammlung von alten Samowaren auch Matrjoschka -Puppen, lackierte Kästen und Schalen, Kristall, Porzellan aus der Sowjetära und alte Lampen ausgestellt. Auf den verblichenen goldenen Lettern über dem Fenster war ANTIKVAZ-AVIABARI zu lesen.
In dem winzigen Laden hinter der Tür herrschte, wenn möglich, ein noch größeres Durcheinander, er war gerammelt voll mit Dingen, die sich ohne erkennbare Ordnung auf verstaubten Regalen und Tischen türmten. Es gab Kopien von berühmten religiösen Ikonen, Koppelschlösser der Roten Armee und flauschgesäumte Panzerhauben aus Stoff, vergoldete Kerzenständer, angeschlagene chinesische Teeservice, Modeschmuck und verblichene, eingerahmte sowjetische Propagandaposter.
Bei ihrem Eintritt sah der Besitzer, ein breiter, behäbiger Mann, der um den kahlen Kopf nur noch einen kleinen Kranz lockiger grauer Haare hatte, von der zerbrochenen Teetasse hoch, die er gerade wieder zusammenklebte. Als er Kirow erkannte, leuchteten seine dunklen Augen auf, und er kam schwerfällig um die Theke herum, um sie zu begrüßen.
»Oleg!«, dröhnte er mit einer Bassstimme, die einen leichten georgischen Akzent verriet, »ich nehme an, das sind die Freunde , von denen du am Telefon gesprochen hast?«
Kirow nickte zurückhaltend. »Ganz genau.« Er wandte sich an Fiona und Smith. »Und dieser übergewichtige Halunke ist Lado Jaschwili, der sich selbst als Geißel aller ehrbaren Antiquitätenhändler von Moskau bezeichnet.«
»Der General hat vollkommen Recht«, gestand Jaschwili mit lässigem Achselzucken. Ein breites Grinsen enthüllte seine schlechten, tabakfleckigen Zähne. »Schließlich muss ich mich irgendwie über Wasser halten, nicht wahr, genau wie die anderen auch. Jeder schlägt sich auf seine Art durch.«
»Ich weiß«, bestätigte Kirow.
»Aber nun zum Geschäft, richtig?«, sagte Jaschwili überschwänglich.
»Mach dir keine Sorgen, Oleg. Ich denke, du und deine Freunde, ihr werdet mit der Qualität meiner Ware sehr zufrieden sein.«
»Glauben Sie?«, fragte Fiona gedehnt, während sie die Unordnung ringsherum mit kaum verhohlener Geringschätzung beäugte.
Jaschwili kicherte in sich hinein. »Ach, Babuschka , ich glaube, Sie missverstehen, um welche Art von Geschäft es sich handelt.« Er bedachte das Sammelsurium in seinem Laden mit einem abfälligen Handwedeln. »Dieser Krimskrams dient in erster Linie zur Tarnung. Es ist nur ein Hobby, etwas, um neugierige Polizisten oder gelegentlich herumschnüffelnde Steuerprüfer zu täuschen. Kommen Sie! Ich zeige Ihnen meine wahre Leidenschaft!«
Damit drehte der korpulente Georgier sich auf dem Absatz um und winkte sie durch eine Tür an der Rückwand des Ladens. Sie gelangten in einen Lagerraum, der mit der bereits bekannten Mischung aus echten Antiquitäten und nutzlosem Krempel angefüllt war. In der hintersten Ecke befand sich eine steile Treppe, die in den Keller führte und vor einer verschlossenen Stahltür endete.
Jaschwili sperrte auf und öffnete die Tür mit weiter, einladender Geste. »Sehen Sie selbst«, sagte er großspurig. »Das ist mein Studio, mein kleiner Kunsttempel.«
Verwundert schauten Smith und Fiona sich um. Sie standen in einem großen, hell erleuchteten Raum. Er enthielt eine hochwertige Fotoausrüstung, Computer, mehrere verschiedene Farblaserdrucker und Farbkopierer, Graviermaschinen und reihenweise Regale, auf denen sich offenbar jede nur erdenkliche Sorte Papier und Tinte stapelten sowie alle Chemikalien, die man brauchte, um Dokumente künstlich auf alt zu trimmen. Eine komplette Seite des
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