Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
für außergewöhnlich teure moderne Kunstwerke. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte er in manchen Zimmern Originale von Diebenkorn, Kandinsky, Klee, Pollock, Mondrian, Picasso und verschiedenen anderen Malern des 20. Jahrhunderts einen Ehrenplatz eingeräumt.
Vor diesen Bildern machte sie jeweils Halt und zückte ihre Digitalkamera. »Nicht schlecht für einen einfachen Beamten, Herr Kessler«, murmelte sie, während sie ein Gemälde fotografierte, das ganz nach einem echten de Kooning aussah. Obwohl es schwierig war, den Wert dieser Gemälde zu beziffern, hätte sie darauf gewettet, dass er sich insgesamt auf weit über zehn Millionen Dollar belief. Kein Wunder, dass Kessler in dem Ruf stand, nur sehr ungern Arbeitskollegen zu sich nach Hause einzuladen.
Verächtlich schüttelte Randi den Kopf. Allem Anschein nach war der BKA-Beamte sehr gut dafür bezahlt worden, dass er Professor Wulf Renke schützte. Ein genaueres Studium der Fotos von den Bildern, die sie für die CIA-Kunstexperten angefertigt hatte, förderte sicher einige interessante Details über Kesslers Finanzen zu Tage. Und die würde er bestimmt nur höchst ungern an die Öffentlichkeit geraten lassen.
Sie steckte die Kamera ein und ging weiter, schlich zuerst durch das Schlafzimmer des Deutschen und dann durch eine Verbindungstür in ein Zimmer, das er offenbar als Büro nutzte. Dieser Raum, an der Rückseite der Villa gelegen, war sehr groß und verschwenderisch eingerichtet, mit Fenstern, aus denen man über den Wald hinweg die hellen Lichter des geschäftigen Berliner Stadtzentrums sehen konnte.
Randi blieb im Türrahmen stehen und musterte das Arbeitszimmer mit zusammengekniffenen Augen, sie registrierte den Computer und das Telefon, die auf einem reich verzierten, antiken Schreibtisch standen, die Wände mit den Bücherregalen und ein weiteres teures Gemälde – hinter dem sie mit ziemlicher Sicherheit einen kleinen Safe finden würde. Sie widerstand der Versuchung,
in den Schreibtischschubladen herumzuwühlen oder den Safe zu knacken.
Der BKA-Beamte war zwar korrupt, aber nicht blöd. Es war nicht damit zu rechnen, dass sie auf ein verstecktes Dokument mit der praktischen Überschrift »Mein geheimes Leben mit Wulf Renke« stieß. Außerdem war sie sicher, dass Kessler, um seine wichtigsten Unterlagen zu schützen, schwer erkennbare Fallen und vielleicht sogar andere elektronische Alarmsysteme eingebaut hatte. Die auszulösen, würde ihn nur unnötig warnen.
Stattdessen riss Randi mehrere Westentaschen auf, in denen eine Auswahl winziger Abhörgeräte steckte. Sie lächelte kalt. Ob er nun Verdacht schöpfte oder nicht, Herr Ulrich Kessler würde jedenfalls bald erkennen, dass es andere Möglichkeiten gab, seine intimsten Geheimnisse zu erfahren.
Kapitel sechsundzwanzig
Moskau
Es herrschte Feierabendbetrieb und hunderte von Moskauern, die einen langen, erschöpfenden Arbeitstag hinter sich hatten, drängten sich auf den steilen Rolltreppen der Smolenskaja-Metrostation. Ein großer, kräftig wirkender Mann in den Fünfzigern, der eine schwere, unförmige Segeltuchtasche über der Schulter trug, half mit Leidensmiene vorsichtig seiner tattrigen alten Mutter und seinem ebenfalls greisen Vater von der Rolltreppe.
»Wir sind fast draußen, Mütterchen«, sagte er sanft. »Jetzt ist es nur noch ein kleines Stück.« Mit einem Blick über die Schulter wandte er sich an den alten Mann. »Komm, Vater. Du musst versuchen, Schritt zu halten.«
Oben an den Rolltreppen staute sich eine wachsende Zahl enervierter Metrofahrer vor den Schranken zur Straße und wartete ungeduldig darauf, die mit Magnetstreifen versehenen Fahrkarten in die Automaten einführen und die Station verlassen zu können. Doch die meisten Drehkreuze waren blockiert, sodass die Menge gezwungen war, sich durch die drei Schranken zu zwängen, die noch in Betrieb waren.
Gereiztes Gemurmel breitete sich in den Warteschlangen aus, als die Leute den Grund für die Verzögerung entdeckten. An allen Ein- und Ausgängen standen Trupps von Milizionären in grauen Mänteln, die offenbar gehalten waren, jedes Gesicht, das die Station Smolenskaja verließ oder betrat, aufmerksam zu studieren. Von Zeit zu Zeit nahmen sie einzelne Menschen oder Pärchen beiseite,
um sie näher zu befragen – oft, allerdings nicht immer, sportliche, dunkelhaarige Männer und schlanke, attraktive schwarzhaarige Frauen.
Nachdem er die Ausweise des Pärchens, das ihm gerade vorgeführt worden war,
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