Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
sich mit den Aromen von herben, filterlosen Zigaretten, billigem Aftershave und gekochtem Huhn. Irgendwo plärrte noch das Radio.
Mit Khalifa im Schlepp stürmte die Frau, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, bis in den zweiten Stock hinauf und marschierte in ein teuer eingerichtetes Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Dicke Teppiche bedeckten den Boden. Tische und Stühle waren aus importiertem Teak und auf einem Schreibtisch stand leise summend ein tragbarer Computer. Er wirkte unbeschädigt. Die Frau lächelte zufrieden.
Ein Mann in Morgenrock und Hausschuhen lag mit dem Gesicht nach unten auf einem der Teppiche, die Hände mit starken Plastikbändern auf dem Rücken gefesselt. Zwei Männer aus dem
Zugriffsteam standen neben dem Gefangenen und hielten ihn mit Maschinenpistolen in Schach.
Auf ihr Signal hin drehten sie den Mann um.
Aufmerksam betrachtete die Frau das hakennasige, bärtige Gesicht und verglich es insgeheim mit den Fotos aus den Akten, die sie studiert hatte. Wütende, rotunterlaufene Augen starrten sie an. Sie nickte befriedigt. Sie hatten Generalmajor Hussein Aziz al-Douri gefangengenommen, den ehemaligen Leiter der 8. Abteilung des Mukhabarat, der Abteilung, die verantwortlich war für die Entwicklung, Erprobung und Produktion der biologischen Waffen des Irak.
»Guten Abend, Herr General«, sagte sie höflich mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.
Der Mann starrte sie nur wütend an. »Wer sind Sie?«
Die Frau schob den Schleier ihrer Abaja zurück und ließ ihr kurzes blondes Haar, eine gerade Nase und ein energisches Kinn zum Vorschein kommen. »Jemand, der Sie sehr lange gejagt hat«, versetzte CIA-Agentin Randi Russell kühl.
Dresden, Deutschland
Große, nasse Schneeflocken fielen aus einem dunklen, bewölkten Himmel. Träge in der unbewegten, kalten Luft treibend legten sie sich sacht auf den Platz vor der angestrahlten Semper-Oper. Ein dünner weißer Schleier milderte die harten Konturen des Reiterstandbildes von König Johann von Sachsen, das mitten auf dem offenen Rondell in die Höhe ragte.
Menschen in warmen Wintermänteln eilten über den Platz, die Schirme hoch erhoben gegen den fallenden Schnee, und schlossen sich der aufgeregten Menge an, die sich vor dem hell erleuchteten Eingang zum Opernhaus versammelte. Überall in der Stadt warben Plakate und Spruchbänder für die an diesem Abend stattfindende
Premiere einer neuen, ultra-modernen Aufführung von Carl Maria von Webers Freischütz , der ersten deutschen Nationaloper.
Jon Smith stand im Schatten des Denkmals für den sächsischen König und sah interessiert zu, wie Dresdens selbsternannte Kulturliebhaber über den Platz strömten. Ungeduldig schüttelte er sich die nassen Schneeflocken aus dem Haar. Er zog die Schultern hoch, denn er spürte die stechende Kälte durch seine dünne Winterjacke und den schwarzen Rollkragenpullover dringen.
Erst vor knapp einer Stunde war er am Stadtrand angekommen, ein Lkw-Fahrer aus Hamburg, den er dazu überredet hatte, ihn den ganzen Weg von Prag über die tschechische Grenze mitzunehmen, hatte ihn dort abgesetzt. Zweihundert Euro in bar hatten dafür gesorgt, dass er die neugierige Frage, warum ein amerikanischer Geschäftsmann per Anhalter über die Grenze fuhr, gar nicht erst stellte. Er hatte Smith gestattet, in der Schlafkoje hinten im Führerhaus zu bleiben, wo er dem wachsamen Auge des Gesetzes entgehen konnte. Glücklicherweise war die Überquerung der Grenze ereignislos verlaufen. Da die Tschechische Republik mittlerweile zur Europäischen Union gehörte, wurde zwischen den beiden Ländern nur noch sehr selten an der Grenze kontrolliert.
Doch um weiter nach Deutschland hineinzugelangen oder gar einen Flug in die Staaten oder zu einem anderen Ziel zu bekommen, brauchte man mehr als nur Glück. Der mörderische Hinterhalt auf dem Weg zum Prager Flughafen hatte ihn seinen Laptop-Rucksack wie auch die Reisetasche gekostet. Wenn man ohne Gepäck unterwegs war, wurden europäische Hoteliers ebenso argwöhnisch wie das Sicherheitspersonal am Flughafen. Noch wichtiger aber war, dass er eine neue Identität brauchte. Früher oder später würden die tschechischen Behörden anfangen, ein größeres Netz nach dem amerikanischen Arzt und Militäroffizier auszuwerfen, der seinen Flug nach London verpasst hatte und auf so mysteriöse Weise verschwunden war. Vielleicht brachten sie ihn sogar
mit den Erschossenen an der Straße zum Flughafen in Verbindung.
Smith entdeckte einen
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