Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
Monaten. Im Westen sind keine Details bekanntgeworden, weil der Kreml jeden Hinweis auf den Ausbruch fest unter Verschluss gehalten hat.«
Das kantige Kinn des Präsidenten straffte sich. »Red weiter.«
»Zwei meiner besten Covert-One-Agenten, Fiona Devin und Jon Smith, wurden unabhängig voneinander von russischen Ärzten kontaktiert, die mit der Behandlung der Opfer betraut gewesen sind. Bedauerlicherweise wurden beide Männer zum Schweigen gebracht, ehe sie uns Kopien der relevanten medizinischen Befunde und andere Beweisstücke zuspielen konnten. Der erste starb vor zwei Tagen auf den Straßen von Moskau, angeblich an einer Herzattacke. Der zweite wurde gestern in Prag ermordet.«
»Von den Russen?«
Klein krauste die Stirn. »Möglich.« Er klappte seine Aktentasche
auf und reichte Castilla einen schwarz-weißen Ausdruck des Passfotos, das ihm kurz zuvor von Smith geschickt worden war. Es zeigte einen Mann mit einem schmalen Gesicht und kalten, toten Augen. »Dieser Bursche hat das Killerkommando in Prag angeführt. Ich habe das Bild durch unsere Computer laufen lassen und es stellte sich heraus, dass er in einem halben Dutzend Datenbanken bei Polizei- und Geheimdiensten geführt wird, meist mit dem Vermerk »Dringend gesucht/Äußerste Vorsicht«.
Der Präsident las den Namen unter dem Foto. »Georg Dietrich Liss? Ein Deutscher?«, fragte er überrascht.
»Ein Ostdeutscher«, korrigierte der Leiter des Covert-One. »Als die Berliner Mauer fiel, war sein Vater ein hochrangiger Offizier bei der Stasi, dem Ministerium für Staatssicherheit der damaligen kommunistischen Regierung. Liss senior sitzt im Augenblick eine lange Gefängnisstrafe ab, wegen zahlreicher Verbrechen gegen das deutsche Volk.«
Castilla nickte und klopfte auf das Bild in seiner Hand. »Und was ist mit dem Junior?«
»Der war bei der Geheimpolizei«, antwortete Klein. »Er diente als angehender Offizier im Felix-Dzierzynski-Wachregiment der Stasi, einer Art Kaderschmiede der ostdeutschen Regierung. Und den Gerüchten zufolge gehörte er zu einer verdeckt operierenden Todesschwadron, die vom Regime benutzt wurde, um politische Dissidenten umzubringen – oder auch ausländische Journalisten, deren Berichte zu unbequem wurden.«
»Ein reizendes Bürschchen«, sagte der Präsident verächtlich. Klein nickte. »Liss war ein ganz übler Kerl. Nach allem, was man hört, ein kaltblütiger Soziopath erster Güte. Kurz nach der Wiedervereinigung wurde in Berlin ein Haftbefehl für ihn ausgestellt, doch er hat Deutschland verlassen, ehe die dortige Polizei ihn in Gewahrsam nehmen konnte.«
»Also, für wen hat er in den vergangenen fünfzehn Jahren gearbeitet?« , fragte Castilla.
»In letzter Zeit war er unserer Auffassung nach bei einer Organisation angestellt, die sich die ›Brandt-Gruppe‹ nennt«, antwortete Klein. »Das ist eine höchst undurchsichtige, freischaffende Agenten- und Schutztruppe mit Sitz in Moskau.«
»Schon wieder Moskau.« Der Präsident warf das Bild auf den Couchtisch. »Und wer zieht bei der Brandt-Gruppe die Fäden?«
»Darüber haben wir nur sehr spärliche Informationen«, gestand Klein. »Wir wissen nicht viel über die Organisation oder ihre Geldquellen, obwohl sie anscheinend über beträchtliche Mittel verfügt. Aber es gibt eine Menge Getuschel, demnach die Brandt-Gruppe gelegentlich auf vertraglicher Basis für die russische Regierung arbeitet, wobei sie geheime Überwachungsaufgaben übernimmt oder sogar die Ermordung tschetschenischer Exilanten und anderer Unruhestifter, die sich außerhalb der direkten Reichweite des Kreml befinden.«
»Zum Teufel damit«, knurrte Castilla.
»Und das ist noch nicht alles«, fuhr Klein fort. Mit ernstem Gesicht beugte er sich auf der Couch vor. »Ich habe diskrete Erkundigungen eingezogen. Anscheinend leiden alle Topspezialisten für Russland in allen größeren westlichen Geheimdiensten – im britischen MI6, dem deutschen BND, der französischen DGSE und anderen – an etwas, das gewaltig nach genau dieser Krankheit aussieht.«
»Man will uns blind machen«, begriff Castilla plötzlich. »Die Krankheit wird als Waffe eingesetzt. Indem sie unsere besten Geheimdienstleute töten, wollen sie es uns unmöglich machen, genau zu verstehen, was in Russland vor sich geht.«
»Das ist möglich, ja sogar wahrscheinlich«, stimmte Klein ihm zu. Er klappte seine Aktentasche noch einmal auf und hielt ein einzelnes Blatt Papier hoch, das mit Namen und Orten beschriftet war.
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