Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
zu richten. »Bleibst also nur du mit deinem Team, Fred. Ganz allein an vorderster Front. Ich wünsche eine dringliche Untersuchung durch Covert-One. Aber es muss schnell gehen und ohne großes Aufsehen.«
Klein nickte verständnisvoll. »Ich habe ein kleines, aber feines Team, das bereits vor Ort in Moskau tätig ist«, überlegte er. In Gedanken versunken zog er ein Taschentuch aus der Jackentasche, nahm die Brille ab und polierte die Gläser. Dann setzte er die Drahtbügel wieder auf die Ohren und blickte auf. »Außerdem steht ein weiterer ausgezeichneter Feldagent bereit. Er ist unerschrocken, einfallsreich, und hat schon früher in Russland gearbeitet. Am allerbesten aber ist, dass er über die notwendige medizinische und wissenschaftliche Ausbildung verfügt, um jede Information, die er bekommt, richtig einordnen zu können.«
»Und wer wäre das?«, fragte Castilla neugierig.
»Lieutenant Colonel Jonathan Smith«, sagte Klein ruhig.
17. FEBRUAR
Poltawa, Ukraine
Auf halbem Wege zwischen der Industriestadt Charkiw und der Hauptstadt Kiew liegt Poltawa, auf drei Hügeln mitten in der riesigen und ansonsten gleichförmigen ukrainischen Steppe. Die Hauptstraßen und Alleen der Stadt gehen sternförmig von einem kreisrunden Platz aus. Und mitten im Zentrum dieses offenen Platzes steht die Eiserne Siegessäule, umringt von kleinen Kanonen
und gekrönt mit einem goldenen Reichsadler. Das im Jahre 1809 errichtete, hoch aufragende Monument erinnert an den entscheidenden Sieg Zar Peters des Großen über die einmarschierenden Schweden und die mit ihnen verbündeten Kosaken, einen Sieg, der ein Jahrhundert zuvor Russlands Herrschaft über die Region sichergestellt hatte.
Um diese parkartig angelegte runde Fläche herum stehen große neoklassizistische Regierungsgebäude aus dem 19. Jahrhundert. Die Fenster in den oberen Etagen bieten einen guten Blick auf die Eiserne Säule.
An einem dieser Fenster stand Leonid Achmetow, der Vorsitzende der Parlamentsabgeordneten aus der Region Poltawa. Der korpulente, weißhaarige Politiker und Oligarch schaute finster von seinem Büro auf den goldenen Adler und wandte sich dann ab. Mit einem leisen Fluch schloss er die Fensterläden.
»Gefällt Ihnen die Aussicht nicht?«, fragte sein Besucher zynisch. Der schlanke Mann mit dem schmalen Gesicht und dem dunklen Anzug saß auf dem Stuhl vor Achmetows prunkvollem Schreibtisch.
Achmetow runzelte die Stirn. »Früher hat sie mir mal gefallen«, grummelte er verdrießlich. »Aber heute erinnert die Säule mich nur noch an unsere Schande, unser Einknicken vor dem verweichlichten Westen.«
Beide Männer sprachen Russisch – die Muttersprache vieler Ukrainer, die zu einem Großteil in den Industriegebieten im Osten des Landes wohnen. Zwei Präsidentschaftswahlen kurz hintereinander – die erste wurde aufgrund von Manipulationsvorwürfen für ungültig erklärt – hatten das Land in zwei rivalisierende Gruppen gespalten. Eine trat sehr autoritär auf und favorisierte die Wiederaufnahme der Beziehungen zu Moskau, die andere war demokratischer und eher auf Europa und den Westen ausgerichtet. Achmetow und seine Gefährten gehörten zu den lokalen Größen der pro-russischen Fraktion. Sie kontrollierten Poltawas Industrie und Geschäfte.
»Mütterchen Russland lässt ihre treuen Söhne nie wirklich im Stich«, versetzte der Mann mit dem schmalen Gesicht ungerührt. Sein Blick wurde hart. »Genau wie sie denen, die sie verraten, niemals vergibt.«
Der große, dicke Oligarch lief rot an. »Ich bin kein Verräter«, knurrte er. »Meine Leute und ich waren damals bereit, uns gegen Kiew zu stellen, bis genau zu dem Augenblick, in dem euer Präsident Dudarew sich mit der neuen Regierung ›geeinigt‹ hat. Als der Kreml uns so plötzlich den Boden unter den Füßen wegzog, hatten wir keine andere Wahl, als unseren Frieden mit der neuen Ordnung zu machen.«
Der Besucher zuckte die Achseln. »Die Einigung, die Sie bemängeln, war nur ein kleiner taktischer Rückzug. Wir sind damals zu dem Schluss gekommen, dass die Zeit noch nicht reif war für einen offenen Konflikt mit den Amerikanern und Europäern.«
Achmetows Augen wurden schmal. »Und jetzt ist es so weit?«
»Bald«, entgegnete der andere seelenruhig. »Sehr bald. Und Sie müssen auch einen Beitrag leisten.«
»Was soll ich tun?«
»Als Erstes? Wir wollen, dass Sie eine öffentliche Demonstration organisieren, und zwar am 23. Februar, dem Feiertag für die ›Verteidiger des
Weitere Kostenlose Bücher