Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
Vaterlandes‹«, sagte der Mann mit dem schmalen Gesicht. »Es muss eine Massenkundgebung werden, die volle Autonomie von Kiew und engere Bindungen an Mütterchen Russland fordert …«
Der Oligarch lauschte mit wachsender Erregung, während sein Besucher die Befehle des Kreml erläuterte.
Eine Stunde später verließ der Mann aus Moskau das Verwaltungsgebäude für die Region Poltawa und schlenderte langsam auf die Eiserne Siegessäule zu. Ein anderer, größerer Mann mit einem
breiten, freundlichen Gesicht und einer Kamera um den Hals löste sich von einer kleinen Gruppe Schulkinder, die das Denkmal betrachteten, und schloss sich dem kleineren Kollegen aus der 13. Abteilung des russischen FSB an.
»Und?«, fragte er.
»Unser Freund Achmetow ist einverstanden. In sechs Tagen werden er und seine Anhänger sich hier auf dem Platz versammeln, zu Füßen dieser Säule«, berichtete der schmalgesichtige Mann.
»Wie viele?«
»Mindestens zwanzigtausend. Vielleicht doppelt so viel, je nachdem wie viele seiner Angestellten samt Familie seinen Anordnungen Folge leisten.«
»Sehr schön«, sagte der Mann mit dem breiten Gesicht und lächelte erfreut. »Dann können wir ihnen einen warmen Empfang garantieren – und der entsetzten Welt demonstrieren, wie weit Kiew geht, um den friedlichen Widerstand bei der lästigen Volksgruppe der Russen zu unterdrücken.«
»Und Sie haben alle nötigen Informationen?«
Der große Mann nickte kühl und klopfte auf seine Digitalkamera. »Die Bilder, die ich für die detaillierte Planung brauche, sind hier drin. Der Rest ist reine Mathematik.«
»Sind Sie sicher?«, fragte der Mann mit dem schmalen Gesicht. »Iwanow wird auf absoluter Zuverlässigkeit und Präzision bestehen. Er will ein kaltblütiges Massaker, keine bemitleidenswerte Panne.«
Der andere Mann grinste. »Entspannen Sie sich, Gennadi Arkadjewitsch, nur die Ruhe. Unsere Chefs bekommen den Vorwand, den sie brauchen. Geben Sie mir genug Sprengstoff – insbesondere RDX – und ich kann diese sogenannte Eiserne Säule bis zum Mond schießen.«
Kapitel zehn
Nahe Orvieto, Italien
Die wunderschöne, alte umbrische Stadt Orvieto liegt hoch oben auf einem vulkanischen Plateau über dem breiten Flusstal der Paglia, etwa auf halber Strecke zwischen Rom und Florenz. Die steilen Felsen ringsum dienen der Stadt schon seit Jahrtausenden als natürlicher Schutzwall.
Am Fuße der Klippen zweigt eine Seitenstraße westwärts von der autostrada ab und schlängelt sich die Flanken eines niedrigen Bergrückens gegenüber Orvieto hinauf. Auf dem Kamm befindet sich eine Ansammlung von ultramodernen Stahl- und Glasgebäuden, die von einem Maschendrahtzahn mit einer dichten Stacheldrahtkrone umgeben sind.
Den Schildern am Haupteingang nach handelt es sich bei dem Komplex um das »European Center for Population Research« (ECPR), das sich der Erforschung der historischen europäischen Völkerwanderungen und der Gendrift widmet. Wissenschaftler aus den verschiedenen Laboratorien des Zentrums reisen routinemäßig durch Europa und Nordamerika und sammeln die DNA verschiedener Sippen und Ethnien, um sie in breitgefächerten historischen, genetischen und medizinischen Projekten zu untersuchen.
Früh in der grauen, feuchten Morgendämmerung glitt ein schwarzer Mercedes durch das Tor und parkte an einem großen Gebäude, das ein wenig abseits lag. Zwei Männer in Pelzmützen und dunklen Mänteln stiegen aus. Beide waren groß und breitschultrig.
Einer der Neuankömmlinge, ein Mann mit blauen Augen und hohen slawischen Wangenknochen, blieb abwartend neben dem Wagen stehen, während der zweite auf die verschlossene Eingangstür des Gebäudes zuging.
»Name?«, fragte eine Stimme in stark akzentuiertem Italienisch aus der Gegensprechanlage neben der massiven Stahltür.
»Brandt«, antwortete der große Mann deutlich. Er drehte sich ein wenig zu den Überwachungskameras, die den Eingang sicherten, damit sie sein Gesicht und sein Profil erfassen konnten.
Es entstand eine kurze Pause, in der die von den Kameras aufgenommenen Bilder mit denen abgeglichen wurden, die im Computer des Sicherheitssystems gespeichert waren. Abrupt erwachte die Anlage wieder zum Leben. »Sie dürfen weitermachen, Signor Brandt«, sagte die Stimme. »Bitte geben Sie Ihren Erkennungscode ein.«
Der große Mann tippte eine zehnstellige Zahlenfolge auf der Tastatur neben der Tür ein und hörte, wie die zahlreichen Schlösser, die sie sicherten, eines nach dem
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