Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
»Jederzeit.«
Erich Brandt lehnte sich ein wenig vor, gerade so weit, dass das Licht der Straßenlampen die strengen Linien seines kantigen Gesichts streifte. »Gut.« Seine schiefergrauen Augen leuchteten auf. »Dann wollen wir hoffen, dass Colonel Smith und seine Freunde ihre Mahlzeit genossen haben. Schließlich wird es ihre letzte sein.«
Kapitel siebzehn
Smith hielt Fiona Devin und Elena Wedenskaja die Tür auf und folgte ihnen aus dem Café Karetni Dwor. Nach der Wärme in dem aserbaidschanischen Restaurant erschien die eisige Nachtluft besonders kalt, sie durchdrang all seine Kleidungsschichten. Er biss die Zähne zusammen, damit sie nicht anfingen zu klappern, und zog, dankbar für seinen dicken Wollmantel, die Schultern hoch.
Zusammen schlenderten sie ein kurzes Stück bis zur Powarskaja, dann blieben sie in einem kleinen Kreis auf dem Bürgersteig stehen, um sich zu verabschieden. Andere Fußgänger, die auf dem Nachhauseweg waren oder noch einkaufen wollten, drängten sich an ihnen vorbei. Gelegentlich fuhren Autos vorüber, eine Reihe von leuchtenden Scheinwerfern, die unter wütendem Hupen mit knirschenden Spikes über die frischen Schneeverwehungen rumpelten.
»Das ist für Sie, Jonathan«, murmelte Dr. Wedenskaja, während sie in die Tiefen ihres Mantels griff und eine dicke Plastikmappe hervorzog. »Machen Sie guten Gebrauch von dem Material.«
Schweigend nahm Smith die Mappe an sich und öffnete sie. Sie war voller eselsohriger Medizinzeitschriften, einige auf Englisch, andere auf Russisch und Deutsch. Er blätterte die Titelseite einer mehrere Monate alten Ausgabe der Lancet um. In dem Journal steckten, säuberlich gefaltet, mehrere Blätter, die eng mit kyrillischer Maschinenschrift beschrieben waren, offensichtlich eine Auswahl der Befunde, die von der grauhaarigen russischen Wissenschaftlerin festgehalten worden waren. Mit einem schnellen, dankbaren Nicken schaute er wieder zu ihr auf. Er wusste, was sie
riskierte, indem sie ihm ihre Notizen aushändigte. »Danke. Ich werde dafür sorgen, dass sie in die richtigen Hände gelangen.«
»Gut. Mit etwas Glück können noch Leben gerettet werden.« Dr. Wedenskaja maß Fiona Devin mit einem abschätzenden Blick. »Wissen Sie noch, was Sie mir versprochen haben?«
»Natürlich«, sagte Fiona leise. »In den Artikeln, die ich schreibe, werden keine Namen genannt. Darauf können Sie sich verlassen.«
Die andere Frau nickte beifällig und lächelte herb. »Wenn das so ist, wünsche ich Ihnen sehr …«
Unvermittelt machte sie einen Schritt nach vorn, fast wäre sie gestürzt, denn ein Mann war von hinten direkt in sie hineingelaufen. Er hatte es wohl zu eilig gehabt, war mit aufgestelltem Mantelkragen und gesenktem Kopf durch das Schneetreiben gehastet. Nur indem sie nach Smiths Arm griff, konnte Elena Wedenskaja ihr Gleichgewicht halten. Ärgerlich machte sie sich frei und fuhr herum. »Sie da! Passen Sie auf, wo Sie hingehen!«
Beschämt trat der Übeltäter – ein junger Mann, mit einer leicht krummen Nase – einen großen Schritt zurück. »Iswinitje! Entschuldigen Sie!«, murmelte er. Dümmlich grinsend hob er den Schirm auf, der ihm beim Zusammenprall aus der Hand gefallen war, und ging weiter die Straße hinab, nunmehr übertrieben vorsichtig.
Dr. Wedenskaja rümpfte verächtlich die Nase. »Betrunken!«, sagte sie. »Und das so früh am Abend. Bah. Alkohol ist der Fluch unseres Landes. Selbst die Jungen vergiften sich.«
»Geht es Ihnen gut?«, fragte Smith.
Den Mund immer noch ärgerlich zusammengepresst nickte sie. »Ja. Obwohl ich glaube, dass dieser Flegel mich mit seinem verdammten Schirm ins Bein gestochen hat«, antwortete sie, während sie sich den linken Oberschenkel rieb. Dann zuckte sie die Achseln. »Aber es ist nichts Ernstes.«
»Trotzdem glaube ich, dass es Zeit wird, uns zu trennen«, sagte
Fiona besorgt, während sie dem angeblich Betrunkenen mit schmalen Augen nachsah. »Wir haben, was wir wollten. Es hat keinen Sinn, hier draußen herumzustehen und noch mehr unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.«
Smith nickte. »Hört sich vernünftig an.« Er wandte sich wieder Dr. Wedenskaja zu und tätschelte die Mappe, die sie ihm gegeben hatte. »Hören Sie, ich werde Sie über Ihre private E-Mail auf dem Laufenden …«
Mitten im Satz brach er ab. Die Russin starrte ihn mit einem Gesichtsausdruck an, der allerhöchstes Entsetzen spiegelte. »Elena? Was ist?«, fragte er hastig. »Stimmt etwas nicht?«
Sie
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