Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
leisten.« Sie hob die Mappe mit Wedenskajas Befunden vom Bürgersteig auf. »Nicht gerade jetzt.«
Ohne mit der Herzdruckmassage aufzuhören, schüttelte Smith den Kopf. Vom Verstand her wusste er, dass Fiona Recht hatte. Mittlerweile kam wahrscheinlich jede Hilfe zu spät. Und in die polizeiliche Untersuchung von Elenas Tod hineingezogen zu werden, würde für sie beide ein Risiko bedeuten. Schon allein weil seine John-Martin-Tarnung nicht darauf angelegt war, genauerer Betrachtung standzuhalten. Doch in erster Linie war er Arzt, nicht Agent. Er hatte die moralische Pflicht, dieser sterbenden Frau zu helfen. Solange er Luft in ihre Lungen presste und sein Bestes tat, um ihr Herz wieder zum Schlagen zu bringen, hatte Elena noch eine Chance – wenn auch nur eine hauchdünne.
Und dann, urplötzlich, war es sowieso zu spät, um sich davonzustehlen.
Mit heulendem Martinshorn kam ein rot-weißer Rettungswagen am Bordstein zum Stillstand. Während die Sirene verstummte, klappten die Hintertüren des Fahrzeugs auf und ein hagerer, bleicher Mann in einem zerknitterten weißen Kittel sprang heraus, die schwarze Arzttasche fest unter den Arm geklemmt. Nach ihm kletterten zwei bullige Sanitäter aus dem Auto.
Mit einer geringschätzigen Handbewegung winkte der Arzt Jon beiseite und kniete sich neben den Körper, um selbst eine hastige, beinahe oberflächliche Untersuchung vorzunehmen.
Erschöpft stand Jon auf und wischte sich den Schnee von den Knien. Er löste den Blick von Dr. Wedenskajas verdrehtem Leichnam und kämpfte das stets wiederkehrende Gefühl des Versagens und der Trauer nieder. Manche Patienten starben. Das kam vor. Doch es wurde einfach nicht leichter. Es fühlte sich immer wie eine Niederlage an.
Der bleiche Russe tastete nach ihrem Puls. Dann hockte er sich auf die Fersen und zuckte die Achseln. »Die Ärmste. Es ist längst zu spät. Ich kann nichts mehr für sie tun.« Er nickte den Sanitätern zu, die mit einer Tragbahre aus dem Rettungswagen bereitstanden. »Also los, Jungs. Bringt sie in den Wagen. Damit sie wenigstens vor den neugierigen Augen krankhafter Gaffer geschützt ist.«
Die beiden kräftigen Kerle nickten stumm und beugten sich umständlich herab, um den Leichnam aufzuladen.
Kopfschüttelnd richtete sich der Notarzt auf. Er schaute langsam in die Runde und maß die kleine, sich schnell zerstreuende Gruppe von Schaulustigen mit verächtlichem Blick. Dann heftete er den Blick auf die beiden Amerikaner. »Wer von Ihnen kann mir sagen, was mit ihr passiert ist? Hatte sie vielleicht einen Herzanfall?«
»Das glaube ich nicht«, sagte Smith ausdruckslos.
»Warum nicht?«
»Sie brach ganz plötzlich zusammen, mit Krämpfen und Muskelzuckungen – beinahe direkt nach einem anscheinend vollständigen Atemversagen«, ratterte Smith schnell die Symptome herunter, die ihm aufgefallen waren. »Auch ihre Pupillen zeigten Anzeichen extremer Kontraktion. Zunächst habe ich es mit Mund-zu-Mund-Beatmung probiert, dann, nach dem Herzstillstand, auch mit Herzdruckmassage, aber leider hat keine der Methoden irgendetwas genutzt.«
Der Arzt lüpfte eine Braue. »Gute Zusammenfassung. Ich nehme an, Sie haben eine medizinische Ausbildung, Mr. …?«
»Martin. John Martin«, erwiderte Smith steif, insgeheim hätte er sich am liebsten dafür geohrfeigt, dass er unbewusst und ganz automatisch in einen medizinischen Jargon verfallen war, der nicht zu seiner Tarnung passte. Offenbar erschütterte ihn Elena Wedenskajas schrecklicher Tod mehr, als er gedacht hatte. Er zuckte die Achseln. »Nein, keine medizinische Ausbildung. Aber ich habe eine Reihe von Erste-Hilfe-Kursen gemacht.«
»Nur Erste-Hilfe-Kurse? Tatsächlich? Dann zeigen Sie aber erstaunliche Begabung.« Der Arzt setzte ein höfliches, aber ungläubiges Lächeln auf. »Trotzdem ist es gut, dass Sie da sind.«
»Oh? Wie meinen Sie das?«, fragte Smith vorsichtig.
»Ihre Ausbildung und Ihre Beobachtungen werden mir beim Ausfüllen des Berichts über diesen tragischen Vorfall sehr nützlich sein, Mr. Martin«, sagte der andere gelassen. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf Fiona Devin. »Deshalb muss ich Sie und Ihre charmante Begleiterin bitten, mit uns ins Krankenhaus zu kommen.«
Fiona runzelte die Stirn.
»Machen Sie sich keine Sorgen, es ist nur eine Formalität«, sagte der Arzt mit erhobener Hand, um jeglichen Protest im Keim zu ersticken. »Ich versichere Ihnen, dass wir Sie nicht lange belästigen werden.«
Die beiden Sanitäter
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