Das Multiversum 2 Raum
zusammenliefen. Er wich den Fragen aus und wechselte das Thema.
»Ich betreibe Forschung, müssen Sie wissen. In gewisser Weise.
Nicht weit von hier gibt es eine Forschungsstation, die von Nishizaki Heavy Industries eingerichtet wurde. Jetzt ist sie natürlich verlassen. Sie ist – war – eine Infrarot-Beobachtungsstation. Eine japanische Forscherin namens Nemoto entdeckte dort erstmals Anzeichen von Aktivitäten der Gaijin im Sonnensystem und schrieb so Geschichte.«
Sie interessierte sich nicht für Takomis Hobby in einem alten Observatorium. Beim Unterton in seiner Stimme horchte sie aber auf.
»Dann benutzen Sie die Ausrüstung also«, versuchte sie ihn aus der Reserve zu locken.
»Ich habe die Annäherung des Kometen beobachtet. Von hier aus waren Merkmale zu erkennen, die für die Stationen auf der Vorderseite nicht ersichtlich waren. Die Geometrie des Annäherungs-Orbits zum Beispiel. Und noch etwas.«
»Was?«
»Ich habe Anzeichen von Methanverbrennung gesehen«, sagte er.
»Dicht am Kometenkern.«
»Methan?«
»Ein Strahl aus Verbrennungsrückständen.«
346
Eine Rakete. Sie erkannte die Weiterungen sofort. Jemand hatte eine Methanrakete in den Kometenkern geschossen, die die Chemikalien des Kometen verbrannt und seinen Kurs geändert hatte.
Vom Mond weg? Oder – auf ihn zu?
Und in beiden Fällen – wer hatte das getan?
»Wieso erzählen Sie mir das?«
Aber er antworte ihr nicht, und ein schrecklicher Verdacht stieg in ihr auf.
■
Takomi bereitete ihr in einem ehemaligen Schulhaus ein Lager in Form einer dünnen Matratze. Kinderzeichnungen hingen hinter Glas an den Wänden. Die Bilder zeigten Blumen, Steine und Menschen, die alle in einem schwarzen Himmel schwebten.
Mitten in der Nacht rief Frank sie an. Er war aufgeregt.
»Es läuft besser, als wir erwartet haben. Der Bohrer geht durchs Gestein wie durch Butter. Die Bilder sind toll. War eine spitzen-mäßige Idee von mir, die Magnesiumlegierungs-Röhren durch transparente Röhren zu ersetzen, damit man das Gestein sieht.
Wir haben die besten Geologen auf dem Mond auf diese beschissene Quelle angesetzt, Xenia. Seismische Untersuchungen, Geoche-mie, Geophysik und so weiter. Je eher wir auf ein Erzflöz stoßen, damit die Sache sich auch rechnet, desto besser …«
Der Roughneck- Bohrer hatte die unteren Krustenschichten durchstoßen und war in den Mantel eingedrungen. Der Mantel des Mondes: Sechzig Kilometer tief und der fremdartigste Ort, zu dem Menschen jemals vorgedrungen waren.
Es stellte sich heraus, dass der Mond für Tiefbohrungen viel besser geeignet war als die Erde, weil in dem alten Himmelskörper tektonische Ruhe herrschte. Die Temperatur stieg pro Kilometer 347
Tiefe etwa um zehn Grad an, verglichen mit dem Vierfachen auf der Erde. Mit den Druckverhältnissen verhielt es sich ähnlich; selbst jetzt wirkten nur ein paar tausend Atmosphären auf Franks Ausrüstung, weniger als man im Labor erprobt hatte. Eigenartiger-weise blieb die Dichte des Monds fast durchgängig konstant.
Xenia wusste allerdings, dass das Projekt gerade erst aus den Startlöchern gekommen war.
Wenn Frank das Wasser und die anderen flüchtigen Stoffe finden wollte, nach denen er suchte, wenn er die Temperatur-und Druckverhältnisse erreichen wollte, unter denen die wasserbinden-den Mineralien sich herauskristallisierten, müsste er in enorme Tiefen vorstoßen – wahrscheinlich unter den festen Mantel bis in eine Tiefe von tausend Kilometern, nur ein paar hundert Kilometer vom Mittelpunkt des Monds entfernt.
Sie stellte ihm technische Fragen, zum Beispiel, wie sie die extre-men Drücke und Temperaturen bewältigen wollten, mit denen sie bald konfrontiert sein würden. Sie wusste, dass er in den oberen Regolithschichten, die durch Kometen-Einschläge zerbröselt waren, vergleichsweise primitive mechanische Bohrtechniken wie Schlagbohrer und Drehbohrer angewandt hatte. Beim massiven, harten und feinkörnigen Gestein des Mantels musste er aber mit moderneren Techniken arbeiten – Lasern, Lichtbögen, magnetischer Induktion. Bis an die Grenzen des Möglichen gehen.
Aber er ging auf solche Fragen nicht ein.
»Xenia, das spielt keine Rolle. Du kennst mich doch. Mein technisches Verständnis reicht gerade einmal dafür, einen Schrauben-zieher zu begreifen. Und das gleiche gilt für unsere Investoren. Ich muss es auch nicht wissen. Ich muss nur die geeigneten Leute finden, sie mit einer Herausforderung konfrontieren, der sie nicht widerstehen können
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