Das Multiversum 2 Raum
und ihnen die Richtung vorgeben.«
»Und sie mit 'nem Taschengeld abspeisen.«
348
Er grinste. »Das ist gerade das Schöne bei diesen idealistischen Typen. Mein Gott, wir hätten den Jungs sogar noch Geld dafür abnehmen können, nur dass sie hier arbeiten dürfen. Nein, der technische Kram ist kinderleicht. Das eigentliche Problem liegt woanders. Wir müssen das Projekt nicht nur den reichen Finanziers und den großen Unternehmen schmackhaft machen. Xenia, das ist das größte Mondabenteuer seit der ersten Mondlandung. Die Gruppe, die bei der ersten Bohrung dabei war, war erst der Anfang. Ich will, dass jeder sich daran beteiligt und dass jeder dafür zahlt. Wo wir nun im Mantel sind, können wir die Fernsehrechte vermarkten …«
»Frank, die Leute haben heute keine Fernseher mehr.«
»Was auch immer. Ich will die Kinder ansprechen, all diese kleinen Kinder, die so unbeschwert zwischen den Bäumen umherflat-tern und die sonst nichts zu tun haben. Ich will Spiele. Lehrmate-rial. Clubs, wo man für ein paar l-yen einen Button und eine Art Aktienzertifikat bekommt. Ich will kleine Bohrtürme in Cornflakes-Packungen.«
»Cornflakes-Packungen gibt's auch nicht mehr.«
Er warf ihr einen Blick zu. »Arbeite hier mit mir zusammen, Xenia. Und ich will, dass ihre Eltern auch zahlen. Touren bis zur Quelle, zumindest bis zu den oberen Abschnitten. Xenia, zum erstenmal bekommen die Leute auf dem verdammten Mond eine Perspektive für die Zukunft. Eine Grenze unter ihren Füßen. Sie müssen es wollen. Einschließlich der Kinder.« Er nickte. »Vor allem die Kinder.«
»Aber die Grauen …«
»Zum Teufel mit den Grauen! Alles, was sie haben, sind Steine.
Wir haben die Jugend.«
Und so verkündete er mit insektenartig summender Stimme seine kühnen Pläne auf der uralten, stillen Rückseite des Mondes.
349
■
Am nächsten Tag begleitete Takomi sie zu ihrem Fahrzeug am Rand des Zen-Gartens.
Sie war für vierundzwanzig Stunden dort gewesen. Die Sonne stand dichter überm Horizont, und die Schatten waren länger geworden und ließen das Land düsterer und lebensfeindlicher erscheinen. Wolken aus Kometeneis glitzerten hoch am Himmel.
»Ich habe etwas für Sie«, sagte Takomi und gab ihr etwas, das wie eine Glasscheibe aussah. Es war oval und vielleicht einen halben Meter lang. Die Kanten waren stumpf, als ob sie geschmolzen wären, und die Oberfläche war mit Borsten überzogen. Sie hielt es für eine Art geologischer Formation, ein Relikt eines Einschlags.
Ein nettes Souvenir; würde sich vielleicht in Franks Büro gut machen.
»Ich habe aber nichts für Sie«, sagte sie.
»Sie haben Ihren okurimono schon geleistet.«
»Wirklich?«
Er lachte meckernd. »Ihre Fäkalien. Sind sicher in den Speicher-tanks verwahrt. Auf dem Mond ist Scheiße wertvoller als Gold …«
Er verneigte sich, drehte sich um und ging am Rand des Ge-steinsgartens zurück.
Sie blieb allein zurück und betrachtete das Oval aus Mondglas, das sie in den Händen hielt. Es hatte doch mehr Ähnlichkeit mit einer Blüte, sagte sie sich.
■
350
Zurück in Landsberg übergab sie das blütenartige Objekt an Mariko Kashiwazaki, die einzige Wissenschaftlerin, die sie hier kannte.
Mariko war alles andere als begeistert; als Franks Chef-Wissenschaftlerin wurde sie schon von Roughnecks Dynamik auf Trab gehalten. Aber sie versprach, das seltsame Fragment an einen qualifi-zierteren Kollegen weiterzuleiten. Xenia war damit einverstanden; aber nur unter der Bedingung, dass sie es nur an einen Mitarbeiter von Franks Unternehmen weitergab.
Inzwischen rekonstruierte Xenia heimlich und außerhalb ihres Apartments Takomis Arbeit bezüglich des Kometen. Sie suchte nach Hinweisen auf die anomale Signatur der Methan-Verbrennung im Nukleus. Sie waren von vielen Sensoren zwar aufgefangen, aber nicht erkannt worden.
Takomi hatte recht.
Irgendjemand hatte offensichtlich eine Rakete im Kern des Kometen platziert und ihn aus der Bahn gerissen. Es war genauso offensichtlich, dass die Zündung hauptsächlich auf der anderen Seite der Sonne ablief, wo sie unentdeckt blieb. Sie vermutete, dass die Zündung gerade so lang gedauert hatte, um den Kometen abzulen-ken und den Einschlag auf dem Mond zu verursachen. Ohne diese Manipulation wäre der Komet sicher am Mond vorbeigeflogen, spektakulär, aber harmlos.
Dann überprüfte sie die miteinander verflochtenen Konten von Franks Unternehmen. Sie stieß auf Geschäftsvorfälle, wo man Gelder abgezweigt und Finanzmittel
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