Das Multiversum 2 Raum
Clubs hatte, wäre das perfekt.«
Er hielt inne und zeigte mit einem Wurstfinger auf ihr Gesicht.
»Das ist der Flaschenhals. Jedes Projekt muss dadurch. Ich muss wissen, ob ich mich auf dich verlassen kann, Xenia.«
Sie erwiderte seinen Blick für ein paar Sekunden und seufzte dann. »Das weißt du doch.«
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Er entspannte sich und nahm die Hände herunter. »Ja. Ich weiß.« Aber da schien etwas in seiner Stimme mitzuschwingen, das seine Worte Lügen strafte. Eine Unsicherheit, die zuvor nicht da gewesen war. »Omeletts und Eier«, murmelte er. »Was auch immer.« Er klatschte in die Hände. »Also. Was kommt als Nächstes?«
■
Diesmal flog Xenia nicht direkt nach Edo. Stattdessen program-mierte sie den Gleiter darauf, ein paar Mal langsam über der aufgelassenen Basis zu kreisen.
Nachdem sie für eine Stunde nach dem Glitzern von Glas Ausschau gehalten hatte, wurde sie fündig. Das Sonnenlicht wurde von einer großen Glasfläche im Zentrum eines alten, erodierten Kraters reflektiert. Sie landete einen Kilometer entfernt, um die Blumenstrukturen nicht zu beschädigen. Sie legte eilig den Anzug an, stieg aus dem Gleiter und ging zu Fuß los.
Sie kam in dieser uralten zerklüfteten Landschaft schnell voran, wo sie nur der sanften Schwerkraft des Mondes unterworfen war.
Bald wurde das Land vor ihr hell und schimmerte wie ein Schwimmbecken. Sie verlangsamte das Tempo und näherte sich vorsichtig.
Die Blume war größer, als sie erwartet hatte. Sie musste einen viertel, sogar einen drittel Hektar bedeckt haben. Zarte, mit dor-nenartigen Stacheln gespickte Glasblätter lagen auf dem Regolith, dem sie entsprungen waren. Es gab noch eine andere Struktur mit kleinen, kompakten Zylindern, die in alle Richtungen gen Himmel wiesen.
Kleine Kanonenrohre. Startrampen für aluminiumverbrennende Saatgut-Raketen vielleicht.
»… Ich muss Sie schon wieder erschrecken.«
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Sie drehte sich um. Es war natürlich Takomi: Er trug den zer-schlissenen, geflickten Anzug und hatte die Hände hinterm Rü-
cken verschränkt. Er schaute auf die Blume.
»Leben auf dem Mond«, sagte sie.
»Der Lebenszyklus ist einfach, wissen Sie. Es wächst in den Perioden der vorübergehenden Kometen-Atmosphären – wie in diesem Fall – und schläft zwischen diesen Ereignissen. Während des langen Mond-Tages öffnet die Blume sich dem Sonnenlicht. Jedes Blatt ist ein Sonnenkollektor. Die Blume fokussiert das Licht auf den Regolith und bricht den Boden auf. Dann entzieht sie ihm die Bestandteile, die sie für die Erschaffung ihrer eigenen Struktur, der Samen und des Raketenbrennstoffs braucht, der sie über die Oberfläche befördert.
Während der Nacht fungieren die Blätter als Kältefallen. Sie absorbieren den Kometenfrost, der auf sie fällt, Wasser, Methan und Kohlendioxid und lagern es ebenfalls in die Substanz der Blume ein.«
»Und die Wurzeln?«
»Die Wurzeln sind kilometerlang. Sie zapfen tiefe Quellen mit Nährstoffen, Wasser und organischen Substanzen an. Tief im Mondinnern.«
Frank hatte also recht mit der Existenz der flüchtigen Stoffe – das hatte sie aber auch so gewusst.
»Ich nehme an, dass Sie Frank Paulis verachten.«
»Wieso sollte ich?«, fragte er milde.
»Weil er diesen Pflanzen die Lebensgrundlage entziehen will. Er will die Nährstoffe aus dem Herzen des Mondes reißen. Sind Sie ein Grauer, Takomi?«
Er zuckte die Achseln. »Wir haben verschiedene Ansichten. Ihre Vorfahren hatten ein Wort dafür. Mecta.«
»Traum.« Es war das erste russische Wort, das sie seit vielen Monaten hörte.
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»Diesen Namen wollten Ihre Ingenieure der ersten Sonde geben, die sie zum Mond schickten. Mecta. Aber die Leute, die über solche Dinge entschieden, ließen das nicht zu. Nun, ich lebe einen Traum hier auf dem Mond, einen Traum aus Steinen und Stille, hier mit meiner Mondblume. So sollten Sie mich sehen.«
Er lächelte und ging davon.
■
Das Land war nun voller Leben: Ihre Kinder, ihre Nachkommen, die Luft und Licht einsogen. Ihre Lieder hallten stark und machtvoll im Kern des Lands wider.
Aber es würde nicht für immer sein, denn es war Zeit für die Verschmelzung.
Es begann mit einer plötzlichen Explosion von Regenfällen, zu viele, als dass man sie zu zählen vermocht hätte. Und die Kometen sprangen einer nach dem andern aus dem Boden.
Dann wurde das Land selbst aktiv. Große Gesteinsschichten erwärmten sich, verflüssigten sich und tauchten ins Innere des Landes ab.
Viele starben natürlich.
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