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Das Multiversum 2 Raum

Das Multiversum 2 Raum

Titel: Das Multiversum 2 Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Blau. Es herrschte hier völlige Stille: Kein Vogelgezwitscher, kein Insektenzirpen. Die hoch am Himmel stehende Sonne brannte unbarmherzig und verströmte eine trockene Hitze. Sie gingen vorsichtig, der starken Erdanziehung entwöhnt.
    Madeleine war überwältigt. Mit Ausnahme von ein paar Welt-raumspaziergängen hatte sie seit Jahren zum erstenmal wieder festen Boden unter den Füßen und war nicht in einem engen Wohnmodul eingepfercht.
    Ben berührte ihren Arm. Sie blieb stehen. Am hitzeflirrenden Horizont bewegte sich etwas, gemächlich und lautlos.
    »Es sieht aus wie eine Eidechse«, flüsterte sie. »Ein Komodo-Wa-ran vielleicht. Aber …«
    »Aber er ist riesig.«
    »Glaubst du, das ist wieder so ein Gaijin-Experiment?«
    »Ich glaube, wir sollten uns ruhig verhalten«, sagte er.
    Die Eidechse, ein urzeitlicher Alptraum, hielt für lange Sekunden inne, vielleicht für eine Minute. Eine Zunge mit der Länge einer Peitsche holte nach etwas Unsichtbarem aus. Dann trottete sie weiter und wandte sich von den Menschen ab.
    Sie gingen eilig weiter.
    Ihr Gastgeber war eine Frau: Eine kleine, kompakte Amerikanerin mit ernstem Gesicht. Das dicke schwarze Haar hatte sie zu einem strengen Knoten zusammengebunden. Sie war mit einem silbrigen Overall bekleidet und stellte sich als Carole Lerner vor.
    Lerner musterte sie verächtlich von Kopf bis Fuß. »Nemoto hat Sie avisiert. Sie sagte mir aber nicht, dass ihr zwei Königskinder seid.« Sie musterte sie argwöhnisch. »Ich habe einen Vorrat angelegt.«
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    Ben runzelte die Stirn. »Was?«
    »Ich werde Ihnen aber nicht sagen wo«, sagte Lerner. »Wenn ich sterbe, werden die Lager sich selbst zerstören.«
    Madeleine verstand, was sie meinte. Unter anderem war die medizinische Versorgung zusammengebrochen, als die Eiszeit eingesetzt hatte. Also gab es auch keine Anti-Alterungs-Präparate mehr.
    Diese Medikamente waren das wertvollste Gut auf dem ganzen Planeten geworden. Sie hielt die Hände hoch. »Wir sind keine Bedrohung für Sie, Carole.«
    Lerner ließ sie nicht aus den Augen.
    Schließlich führte sie sie ins Zelt, das angenehm kühl war und eine hohe Luftfeuchtigkeit aufwies. Sie kramte zwei Overalls hervor und bedeutete ihnen, sie anzuziehen. »Die sind unbezahlbar.
    Im wahrsten Sinn des Worts. Thermoaktive Kleidung, fast unverwüstlich. Sie wird heute nirgends mehr hergestellt. Die Leute verer-ben sie wie Familienschmuck, von einer Generation zur andern.
    Behandeln Sie sie pfleglich.«
    »Das werden wir«, versprach Madeleine.
    Das Zelt hatte keine Trennwände. Ben zuckte die Achseln, zog sich aus und stieg in den Overall. Madeleine folgte seinem Beispiel.
    Lerner kochte Wasser zum Trinken ab und gab ihnen etwas zu essen – eine Tütensuppe mit einem undefinierbaren Geschmack.
    Die Frau sah aus wie sechzig, war aber viel älter. Wie sich herausstellte, war sie die Carole Lerner, die im Rahmen eines anderen Projekts von Nemoto die Wolkendecke der Venus durchstoßen und als erster und einziger Mensch den Fuß auf die Oberfläche der Venus gesetzt hatte.
    Bens Blick fiel auf Gesteinsprobenhaufen, Datenträger und ein paar altmodische, abgegriffene Bücher mit staubigen und vergilbten Seiten.
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    »Meine Arbeit«, knurrte Lerner und beobachtete ihn. »Ich bin Geologin. Keine Generation hat bisher den Einbruch einer Eiszeit überlebt.«
    »Gibt es noch Universitäten, wissenschaftliche Institute und Fachzeitschriften?«, fragte Ben.
    »Nicht auf der Erde«, sagte Lerner mürrisch. »Ich deponiere meine Proben und Aufzeichnungen. Vergrabe sie so tief, dass die Tiere nicht drankommen. Und ich schicke meine Ergebnisse und Interpretationen zum Mond und zum Mars.« Sie musterte Madeleine feindselig. »Ich weiß, was Sie denken. Dass ich eine alte Spinnerin, eine Besessene sei. Dass es auf Wissenschaft nicht mehr ankäme.
    Ihr Sternenfahrer macht mich krank. Ihr hüpft durch die Weltgeschichte und seht gar nichts. Ich will euch eins sagen: Die Gaijin arbeiten in langen Zeiträumen. Wir sind für sie Eintagsfliegen.
    Und aus diesem Grund kommt es auf die Wissenschaft an. Mehr als je zuvor. Nur so bleiben wir im Spiel.«
    Madeleine hob die Hände. »Ich wollte doch gar nicht …«
    Doch Lerner hatte sich inzwischen der Suppe zugewandt, und ihr Zorn verrauchte. Ben berührte Madeleine am Arm, und sie sagte nichts mehr.
    Diese Frau hat eine lange Zeit allein verbracht, sagte sie sich.
    ■
    Lerner hatte ein kleines Auto, nur eine Plastikkuppel auf einem leichten Rahmen.

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