Das Muster der Liebe (German Edition)
nicht leicht, sie zu mögen. Trotzdem versuchte ich es. Sie hatte sich wirklich bemüht, stricken zu lernen. Die Babydecke, die sie für ihr erstes Enkelkind anfertigte, war beinahe vollendet.
“Ich dachte, ich komme ein letztes Mal hierher und erzähle allen von meinem Entschluss.”
“Als ob uns das interessieren würde”, murmelte Alix.
Da ich hinter Alix stand, legte ich ihr meine Hand auf die Schulter – eine stumme Bitte, ihre Kommentare für sich zu behalten. Während der letzten sechs Wochen hatte ich gelernt, dass das Mädchen trotz seiner mürrischen Art eigentlich sehr sensibel war. Die leichteste Kritik reichte aus, um sie an allem zweifeln zu lassen.
“Ich glaube, ich könnte gar nicht mehr mit dem Stricken aufhören”, sagte Carol. Sie arbeitete momentan an einem Pullover für ihren Bruder. Das Kaschmirgarn, das sie dafür benutzte, war das teuerste in meinem Geschäft. Sie hatte sich für ein sanftes Grau entschieden.
“Ich werde auch weitermachen”, erklärte Alix und warf Jacqueline quer über den Tisch einen Blick zu, der ganz deutlich machte, dass sie der älteren Frau mangelnde Willenskraft unterstellte. “Und ich werde diese Decke fertig stricken – koste es, was es wolle.”
Ich bewunderte Alix’ Entschlossenheit. Sie wirkte im Umgang mit Stricknadeln und Wolle noch immer ein bisschen ungeschickt, aber sie gab nicht auf. In den ersten Wochen hatte sie mit Sicherheit genauso viele Reihen aufgeribbelt wie gestrickt. Dem Himmel sei Dank verstand sie endlich, was sie falsch machte, und zeigte erste Fortschritte. Neben der Arbeit im Videoladen blieb ihr jedoch einfach zu wenig Zeit zum Üben.
“Willst du mir unterstellen, ich sei ein Drückeberger?”, fragte Jacqueline und sah Alix herausfordernd an.
“Wenn du dich angesprochen fühlst … Aber keine Sorge. Ich werde dich bestimmt nicht vermissen.”
Die ständigen Zankereien zwischen den beiden zerrten an meinen Nerven. Doch bevor ich etwas sagen konnte, ergriff Carol das Wort.
“Ich habe Neuigkeiten”, sagte sie, um das Thema zu wechseln. Ich war ihr dankbar dafür.
“Oh, gut.” Ich gab mir gar keine Mühe, die Erleichterung in meiner Stimme zu verbergen.
“Montagmorgen bringt Doug mich in die Klinik. Dann findet der letzte Versuch der IVF statt.”
Obwohl sie bei diesen Worten lächelte, spürte ich – und ich war mir sicher, dass es den anderen genauso ging –, dass sie Angst hatte. Ich hoffte, dass dieses Mal alles gut gehen und Carol das Kind austragen würde. Während der letzten Wochen war sie immer wieder beim Arzt, aber sie berichtete im Kurs nur wenig von diesen Terminen. Ab und zu sprach sie mit mir über dieses Thema, wenn wir allein waren. Doch ich wusste längst nicht alles. Ich hoffte einfach nur für sie, dass alles gut ging.
Zu meiner Überraschung war es Jacqueline, die als Erste sprach. “Oh, meine Liebe, ich wünsche dir wirklich alles Gute. Reese und ich haben nur ein Kind, dabei hätten wir so gern ein zweites gehabt.”
“Im Augenblick würden Doug und ich schon mehr als dankbar sein, wenn wir eines bekämen!” Ihr Lächeln wirkte unsicher.
“Ich habe mir so sehr eine Tochter gewünscht.”
“Hast du nicht erzählt, dass dein Sohn und seine Frau ein kleines Mädchen erwarten?” Ich glaubte mich erinnern zu können, dass Jacqueline einmal so etwas erwähnt hatte.
“Ja.”
In letzter Zeit sprach Jacqueline nicht mehr viel über ihren Sohn und ihre Schwiegertochter. Vielleicht war etwas vorgefallen, was sie lieber nicht erzählen wollte. Bei Jacqueline konnte man das nie wissen. Während Carol und Alix sich aneinander gewöhnt hatten und einen lockeren Umgang pflegten, blieb Jacqueline auf Distanz. Langsam drängte sich mir der Verdacht auf, dass die einzigen Menschen, die Zugang zu ihr fanden, ihre Freundinnen aus dem Countryclub waren.
Alix hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte sich auf ihre Strickarbeit. “Ich denke, nur Menschen, die wirklich Kinder haben wollen, sollten auch welche bekommen.” Schon früher hatte sie etwas Ähnliches geäußert – es schien ihr sehr wichtig zu sein. Ich konnte nur vermuten, dass es mit ihren eigenen Erfahrungen zusammenhing.
“Das glaube ich auch”, erwiderte Carol. “Was ich nicht verstehe, ist, warum so viele Paare, die Kinder lieben, solche Schwierigkeiten haben, eines zu bekommen. Wenn ich daran denke, wie lange ich den Wunsch nach einer eigenen Familie vor mir hergeschoben und wie viele Jahre ich vergeudet habe, könnte ich
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