Das Muster der Liebe (German Edition)
herumliegende Stahlbetonträger, um den Bauplatz verlassen zu können.
Leicht verstimmt lief sie die Straße entlang bis zur Einmündung der kleinen Gasse. Leider hatte der Wollladen noch geschlossen, sonst wäre sie durch das Geschäft gegangen. Während sie in die Seitenstraße einbog, wuchs ihr Ärger. Kein Wunder, dass ihre Ehe am Ende war. Statt sie persönlich zu begrüßen, schickte Reese seinen Assistenten – als wäre es für ihn selbstverständlich, dass sie seinetwegen ihre gesamte Tagesplanung über den Haufen warf. Beim nächsten Mal konnte er seinen Aktenkoffer getrost selbst holen.
Gedankenverloren hatte Jacqueline bereits die Hälfte des Weges zum Wagen zurückgelegt, als sie plötzlich eine unheimliche Vorahnung beschlich. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie hielt an und drehte sich um. Nichts. Kopfschüttelnd entspannte sie sich wieder und schalt sich selbst einen Feigling. Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel, und so war die Gasse kühl und dunkel. Jacqueline machte zwei weitere Schritte, hielt jedoch wieder inne, denn das Gefühl, beobachtet zu werden, wurde stärker.
Das waren ihre Nerven, die ihr einen Streich spielten, entschied sie. Sie hatte eindeutig zu viele Krimis gesehen. Trotzdem blieb die Angst. Und sie wuchs von Augenblick zu Augenblick. Aber sie musste zu ihrem Wagen. Es gab keine andere Möglichkeit.
Sie war keine sechs Meter mehr von ihrem Mercedes entfernt, als zwei Männer ihr in den Weg traten. Bedrohlich standen sie vor ihr, halb verdeckt durch die Schatten der Gebäude. Sie konnte ihre Gesichter nicht genau erkennen, doch sie sah das höhnische Grinsen der beiden. Es waren Typen von der Straße, dachte sie, ungepflegt und dreckig.
“Was haben wir denn da?”, rief der eine dem anderen zu, der gerade um sie herumging, um ihr den Fluchtweg abzuschneiden.
Jacqueline spürte kalten Schweiß auf ihrer Stirn. Ihr Instinkt befahl ihr, wegzurennen. Aber sie fürchtete, ihre Beine würden ihr den Dienst versagen. Und in ihren Pumps hatte sie kaum Chancen, den beiden zu entkommen, wenn sie ihr folgten.
“Würden Sie bitte aus dem Weg gehen?”, sagte sie und war stolz auf ihre gespielte Tapferkeit.
“Bitte”, wiederholte der zweite Typ mit einer Fistelstimme. Er war größer als sein Komplize, hob den rechten Arm und ließ seine Hand betont vornehm baumeln. “Da haben wir es wohl mit einer echten
Lady
zu tun.”
“High Society.”
“Viel Geld.”
“Jetzt gib auf, Schlampe.”
Sie umklammerte ihre Tasche. “Das wagen Sie nicht.”
“Wir konnten noch nie einer Herausforderung widerstehen, was, Larry?”
“Halt die Schnauze!”, schrie der andere Mann, offensichtlich wütend, weil sein Komplize seinen Namen verraten hatte. Er zog ein Klappmesser aus der Tasche und fuchtelte damit gefährlich nah vor Jacquelines Gesicht herum.
Trotz ihrer Entschlossenheit, möglichst ruhig zu bleiben, stockte ihr der Atem. Die Klinge blitzte im Halbdunkel der Gasse kurz auf.
Er streckte den Arm aus, als ob er erwartete, sie würde ihm freiwillig ihre Tasche reichen. Sie wusste, dass es keine Bitte, sondern eine Aufforderung war. Jeder Widerstand würde mit Gewalt beantwortet werden.
Obwohl sie gar nicht bemerkte, wie es geschah, entglitt ihr die Designertasche und fiel auf den Asphalt.
“Wenn ich du wäre, würde ich die nicht anfassen”, erklang in diesem Moment eine Frauenstimme hinter Jacqueline. “Bist du nicht auf Bewährung, Ralph? Es wäre eine Schande, dich demnächst wieder hinter Gittern zu wissen.”
Es dauerte eine Weile, bis Jacqueline erkannte, wer die Frau war. Alix Townsend. Alix, das Mädchen, das sie für eine Verbrecherin und Punkerin hielt, riskierte ihr eigenes Leben, um sie zu retten.
“Halt dich da raus”, knurrte Larry, und seine Lippen wurden ganz schmal.
“Tut mir leid, Jungs”, entgegnete Alix und machte einen Schritt auf sie zu. “Aber diese Lady hier ist eine gute Freundin von mir.”
Jacqueline blieb, wo sie war. Sie fühlte sich wie gelähmt und nicht fähig, sich zu bewegen. Ihr Atem ging flach.
Larry starrte auf die Tasche. “Du willst die Beute doch nur für dich selbst”, brummte er. Fest umklammerte er das Messer und hob es ein Stück höher.
Plötzlich erklang ein leises Klicken. Jacqueline brauchte einen Moment, bis sie begriff, was geschehen war. Alix hatte selbst ein Messer gezogen.
“Sie können das Geld nehmen”, wisperte Jacqueline. Es war ihr egal. Sie wollte nur, dass Alix und sie unversehrt und
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