Das Muster der Liebe (German Edition)
helfen – und das tut sie tatsächlich.”
“Bestell ihr meinen persönlichen Dank.”
Lydia lächelte. “Ich bin genauso dankbar für die Pause, denn ich brauche eine Auszeit. Und ich bin froh, dass du zugesagt hast.”
Obwohl Carol die Stricklehrerin erst seit relativ kurzer Zeit kannte, hatte sie inzwischen das Gefühl, eine echte Freundin gefunden zu haben. Seit ihrer Collegezeit war ihr durch die Arbeit und die Bemühungen, schwanger zu werden, immer weniger Zeit und Muße geblieben, sich um Freundschaften zu kümmern. Lydia hatte ebenfalls den Wunsch geäußert, neue Freunde kennenzulernen. Die beiden Frauen waren in ihrem Leben an einem ähnlichen Punkt angekommen. Sie unterhielten sich ab und zu, und Lydia unterstützte Carols wachsende Leidenschaft fürs Stricken. Es war einfach, Lydia zu mögen. Sie war so nett, ruhig und bescheiden. Carol bekam nie mit, dass Lydia einmal die Stimme erhob oder die Geduld verlor. Aber wenn sie übers Stricken sprach, bemerkte man die Liebe und die Leidenschaft, mit der sie diese Kunst betrieb. Carol bewunderte Lydias Ruhe, mit der sie die Streitigkeiten zwischen Alix und Jacqueline schlichtete. Es war sicherlich nicht immer leicht, die beiden im selben Kurs zu haben. Mehr als einmal hatte sich Carol die Frage verkneifen müssen, ob die beiden ihr Verhalten nicht auch für albern und kindisch hielten.
An ihrem Tisch unter einem Sonnenschirm warf Carol einen Blick in die Speisekarte. Sie entschied sich für Fettuccine mit Meeresfrüchten, eines ihrer Lieblingsgerichte. Sie unterhielten sich übers Stricken, über Freundschaften, erzählten sich Erlebnisse aus ihrer Kindheit und redeten über Bücher, die sie beide mochten. Der Höhepunkt ihres Essens war die Geschichte, wie Alix Jacqueline in der Seitenstraße vor den Ganoven gerettet hatte.
Carol entschied sich, auf ihrem Rückweg noch einige Dinge im Supermarkt zu besorgen. Ihr Appetit hielt sich, seit der letzte IVF-Zyklus begonnen hatte, in Grenzen, und das Abendessen wurde oft in letzter Minute ohne große Planung oder viel Mühe aus verschiedenen Zutaten zusammengewürfelt. Wenn Doug nicht gewesen wäre, hätte sie das Essen manchmal komplett vergessen.
Als sie das Restaurant am Strand verließ, fühlte sie sich um einiges besser. Erstaunlich, was ein Gespräch mit einer Freundin so alles bewirken konnte. Im Supermarkt kaufte sie ein zartes Filetstück zum Braten und kehrte zurück in die Wohnung. Sie fühlte sich erfrischt und genoss den warmen Sonnenschein.
In dem Moment, als Doug an diesem Abend nach Hause kam, spürte er, dass sich etwas verändert hatte. Er lächelte seine Frau an und küsste sie. Dann verschwand er im Schlafzimmer, um kurze Zeit darauf in seiner Mariners-Baseballjacke und der passenden Kappe wieder zu erscheinen.
“Du hast es vergessen, hab ich recht?”, fragte er, als er ihren verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte. “Bill und ich haben doch Karten für das Spiel.”
“Natürlich.” Sie schüttelte ihre Enttäuschung ab. Ihr Nachmittag mit Lydia hatte ihr so gutgetan, und sie würde ihrem Ehemann den Abend mit seinem langjährigen Collegefreund selbstverständlich nicht missgönnen.
Ein wenig später war Doug verschwunden. Zum ersten Mal seit einer Woche kochte sie ein richtiges Essen, und nun war Doug nicht zu Hause, um es zu kosten. Das Leben steckte voller Ironie.
Sie fühlte sich dennoch gut, auch wenn ihre Laune nach einem Telefonat mit ihrem Bruder ein bisschen nachließ. Seit seinem Besuch, der mittlerweile einen Monat zurücklag, hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen.
“Kann ich vorbeikommen?”, fragte er. Carol konnte hören, wie niedergeschlagen er klang.
“Sicher. Aber ich bin heute allein. Doug ist mit Bill bei einem Spiel der Mariners.”
Rick seufzte hörbar. “Vielleicht ist das sogar besser.”
Diese Worte ließen Carol aufhorchen. “Was ist los?”
“Ich erzähle es dir, wenn ich da bin.”
Keine halbe Stunde später stand ihr Bruder in der Tür. Carol hatte ihn nie zuvor in einem solchen Zustand erlebt – er war unrasiert, und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Sichtlich erschöpft sank er auf einen Stuhl. Als sie ihn fragte, ob er ein Bier wolle, entgegnete er: “Hast du auch etwas Stärkeres?”
“Tut mir leid”, entgegnete sie. “Nur Wein.”
“Dann nehme ich gern ein Bier.” Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf seine Knie.
“Erzählst du mir, was los ist, oder soll ich raten?”, fragte sie, als sie ihm das Bier
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