Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
sie den Sommer zurückholen.
Gerade, als er den Entschluss fasste, zur Lichtung zu gehen
und sich ein wenig zu erfrischen, hörte er ein leises Plätschern und sah in die
Richtung, aus der das Geräusch kam. Er erwartete eine Wildente zu sehen, aber
es war kein Wasservogel, der sich da auf dem Wasser treiben ließ, sondern eine weibliche
Gestalt.
Eine Waldfee, war sein erster Gedanke, der ihm durch den
Kopf schoss.
Dann erkannte er sie. Sie lag auf dem Rücken, bewegte nur
Hände und Füße und ließ sich langsam durch das klare Wasser treiben. Dabei
schaute sie in den Himmel und beobachtete die Wolken.
Ohne auch nur die kleinste Bewegung zu wagen, starrte Conrad
auf die Szene und wollte seinen Augen nicht trauen.
Der Körper des Mädchens zeichnete sich deutlich im Wasser
ab, umspielt von ihren langen schwarzen Haaren, die einen wunderschönen
Kontrast zu ihrer hellen Haut bildeten, die eine zarte bräunliche Tönung hatte,
als wäre sie hauchdünn mit goldbraunem Honig überzogen.
Es galt als unschicklich, im Freien unbekleidet zu baden.
Aber hier in der Einsamkeit der Wälder gab es keine Regeln, die man zu beachten
hatte. Außerdem musste man hier eher ein Raubtier fürchten als einen heimlichen
Beobachter.
Jetzt müsste Conrad sich eigentlich abwenden und lautlos im
Unterholz verschwinden. Aber er redete sich erfolgreich ein, er könnte ein
ungewolltes Geräusch verursachen und das Mädchen dadurch erschrecken.
Außerdem wisperte eine innere Stimme ihm zu, dass es nur
ausgleichende Gerechtigkeit war, wenn er sie betrachtete. Schließlich hatte
auch sie ihn nackt gesehen.
Also blieb er reglos stehen und starrte weiterhin auf den
See, in dem das Mädchen sich arglos treiben ließ. Er betrachtete fasziniert
ihren makellosen Körper, der verführerische weibliche Formen aufwies.
Atemlos beobachtete er, wie sie sich umdrehte und nach ein
paar Schwimmzügen untertauchte.
Jetzt war der Augenblick gekommen, wo er sich unbemerkt
hätte zurückziehen können. Aber er zögerte einen Augenblick zu lange und gerade
als er sich umdrehen wollte, tauchte sie wieder auf. Gemächlich schwamm sie auf
das Ufer zu. Als sie aus dem Wasser stieg, konnte Conrad seinen Blick nicht von
ihr wenden. Sie war einfach bezaubernd schön.
Plötzlich hielt sie inne und sah sich um.
Conrad stockte der Atem und die Röte schoss ihm ins Gesicht.
Hatte sie ihn entdeckt? Er verschmolz förmlich mit dem Baum, neben dem er stand
und versuchte, sich hinter die Büsche zu ducken.
Aber Line verscheuchte nur mit der Hand ein Insekt und ging
arglos auf die Lichtung zu. Nur wenige Schritte von ihm entfernt kam sie ans
Ufer.
Mit angespannten Sinnen starrte Conrad sie an, als wolle er
sich jede Einzelheit ihres Körpers einprägen.
Neben einem Baumstumpf, auf dem sie ihre Kleider abgelegt
hatte, wie Conrad erst jetzt bemerkte, setzte sie sich ins Gras und wrang ihr
langes Haar aus, um es dann notdürftig mit den Fingern zu ordnen. Völlig
unbekümmert legte sie sich dann auf den Rücken, um sich von der Sonne trocknen
zu lassen, bevor sie sich wieder anziehen würde.
Nur wenige Meter trennten ihn von ihr und Conrad kam sich
schäbig vor, als er sie so heimlich betrachtete. Aber sie hatte ihn in ihren
Bann gezogen und es war ihm unmöglich, seinen Blick von ihr abzuwenden.
Außerdem konnte er jetzt erst recht nicht hoffen, unbemerkt verschwinden zu
können.
Nach einer Weile streckte das Mädchen sich wie eine Katze,
setzte sich auf und streifte ihr Hemd über. Dann zog sie auch ihr Kleid an und
schloss die Verschnürungen an den Seiten.
Aber sie trat nicht den Heimweg an, wie Conrad erwartete.
Stattdessen setzte sie sich wieder hin und schaute verträumt auf das Wasser.
Noch immer verharrte Conrad unbeweglich in seinem Versteck.
Unendlich langsam und vorsichtig zog er sich jetzt zurück, wobei er möglichst
jedes Geräusch vermied und kaum zu atmen wagte.
Sein Gewissen regte sich, aber er rechtfertigte sich vor
sich selbst damit, dass sie schließlich auch nicht weggeschaut hatte, als sie
ihn am Brunnen überraschte. Allerdings hatte sie ihn nicht heimlich beobachtet
und auch nicht schamlos angestarrt, sondern seine Nacktheit einfach ignoriert.
Er war sehr froh, dass Line ihn nicht bemerkt hatte, aber
auch wenn er sich für sein Verhalten schämte, wollte er dieses Erlebnis dennoch
für nichts in der Welt missen. Die Erinnerung an diesen wundervollen Anblick
würde er für immer im Gedächtnis
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