Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
Tuchhändler Schindel
wäre gestürzt. Könnte es nicht ein Unfall gewesen sein?“
„Nach Aussage der Ehefrau waren die letzten Worte des
Tuchhändlers, die Magd hätte ihn bestehlen wollen.“
„Glaubt Ihr das?“, fragte Conrad und fixierte den Richter,
der seinem Blick standhielt.
„Das spielt keine Rolle“, sagte dieser ruhig. „Der Fall ist
eindeutig. Die Magd Mara, welcher der Ermordete angeblich hatte Gewalt antun
wollen, ist von einem Arzt untersucht worden, der außer ein paar blauen Flecken
keine Anzeichen von Gewaltanwendung feststellen konnte. Herr Hubert Schindel
war ein ehrenwerter Bürger…“
„Der dafür bekannt war, den Mägden nachzustellen“, fiel
Conrad dem Richter ins Wort.
Der Richter zuckte mit den Schultern. „Das tun viele. Es ist
nie ein Übergriff zur Anzeige gekommen.“
Conrad biss sich auf die Zunge, um nichts Unüberlegtes zu
sagen. Es war kein Wunder, wenn geschändete Mägde keine Anzeige erstatteten.
Abgesehen davon, dass ihr Wort gegen das eines ehrbaren Bürgers stünde, wären
sie fürs Leben gezeichnet und hätten es sehr schwer, eine neue Anstellung oder
gar einen anständigen Ehemann zu bekommen. Aber solcherart von Argumentation
führte zu nichts.
„Gibt es Zeugen der Tat?“, fragte er stattdessen betont
sachlich.
„Die Tuchhändlerin. Sie hörte Lärm und ging auf den Flur.
Dann sah sie, wie ihr Mann die Stiege herunterfiel, gestoßen von der
Beschuldigten. Hubert Schindel starb in ihren Armen“, antwortete der Richter
emotionslos.
„Warum könnt Ihr einen Unfall ausschließen?“
Jetzt wurde es dem ehrenwerten Richter zu viel. „Nach
Aussage des Sterbenden war es Mord…“
„Sagt die Ehefrau“, auch Conrad war lauter geworden.
„…den die Angeklagte gestanden hat – ohne peinliche
Befragung. Wollt Ihr dem Gericht etwa unterstellen, es wäre etwas nicht bedacht
worden?“, mit stechendem Blick aus den hellen, kalten Augen fixierte Dr.
Schwarz den jungen Ritter.
Conrad musste sich erst einmal sammeln und atmete tief
durch. „Es ist manches nicht bedacht worden“, erwiderte er dann so ruhig wie
möglich. „Zunächst einmal das Motiv. Wenn es Habgier war, wie die Schindlerin
behauptet, hätte man dann nicht Diebesgut finden müssen? Was aber war sonst das
Motiv, wenn nicht Notwehr? In dem Fall aber kann man keine Tötungsabsicht
unterstellen…“
„Es reicht!“, die Stimme des Richters überschlug sich fast.
„Was fällt Euch ein…“
„Ich möchte nur verhindern, dass ein unschuldiges Mädchen
sterben muss“, fiel Conrad dem Richter ins Wort. „Wenn es ein Unfall war…“
Jetzt sprühten die Augen des Richters regelrecht Funken. Er
fühlte sich in seiner Ehre angegriffen. Aber er hatte immerhin einen Adligen
vor sich, dem er nicht einfach den Mund verbieten konnte. Was aber, wenn dieser
Ritter es schaffte, neue Beweise zu bringen und der Prozess wieder aufgenommen
werden musste. Dann war er als Richter blamiert. Das konnte er nicht zulassen.
Das Verfahren war abgeschlossen, die Magd verurteilt und basta.
Er musste diesen jungen Heißsporn irgendwie loswerden.
„Wenn Ihr nicht sofort die Stadt verlasst, werde ich Euch
einsperren lassen. Nur so lange, bis Ihr keine Gefahr mehr darstellt“, bluffte
er.
„Das kann nicht Euer Ernst sein“, begehrte Conrad auf. „Mit
welcher Begründung?“
Der Richter zuckte mit den Schultern. „Unruhestiftung,
Beleidigung des Stadtrichters, sucht Euch etwas aus. Für ein paar Tage reicht
es allemal“, er sah ihm direkt in die Augen und setzte hinzu: „Bis nach der
Hinrichtung.“
„Wann hätte ich Euch beleidigt?“, begehrte Conrad auf.
„Ihr habt die Ordnungsmäßigkeit des Prozesses angezweifelt.
Das allein würde genügen. Außerdem ist mir zu Ohren gekommen, dass Ihr
maßgeblich an einer Rauferei beteiligt wart, bei der ehrbare Bürger dieser
Stadt verletzt worden sind. Was habt Ihr dazu zu sagen?“ Mit Genugtuung
registrierte er, wie der junge Ritter blass wurde.
„Also gut“, lenkte Conrad ein, „ich werde die Stadt
verlassen.“ Aber nicht ohne Line , fügte er im Stillen hinzu.
Der Richter hob erstaunt die Augenbrauen. „Habe ich Euer
Wort?“
Conrad machte eine verächtliche Geste und wandte sich um. Zu
seinem Erstaunen sah er sich den beiden bewaffneten Stadtknechten gegenüber,
die ihm jetzt ihre gesenkten Pieken auf die Brust setzten. Sofort hatte er die
Hand am Schwertgriff, aber er würde es nicht schnell genug ziehen können.
„Ihr lasst mir
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