Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
abwertend er "Mensch" gerade gesagt hat. Als wäre es eine Beleidigung.
"Hast du etwas gegen die Menschen?" Schon komisch so über dieses Thema zu reden. Heute Morgen habe ich mich ja selbst noch zu den Menschen gezählt.
Jake zögert etwas: "Na ja...das trifft die Sache nicht ganz. In meinen Augen ist "etwas gegen sie haben" ein bisschen untertrieben. Wenn ich ehrlich bin mag ich die Menschen von Grund auf nicht. Nicht nur, weil sie meiner Meinung nach die niederere Rasse sind, sondern auch aus persönlichen Gründen..."
"Und die wären?" Mit dieser Frage hat Jake wahrscheinlich nicht gerechnet, aber er ist ja selber schuld. Immerhin hat er mir selbst angeboten alles zu fragen.
Jake grübelt etwas nach. Seine Stimmung hat sich plötzlich verändert. Er ist auf einmal ganz ernst geworden: "Meine Familie...ich habe sie durch einen Menschen verloren. Genauer gesagt durch einen Jäger. Ich war zu der Zeit noch sehr jung, dennoch erinnere ich mich an jedes Detail. Wir waren etwas weiter weg von unserem Rudel. Ich habe mit meinem Vater im Unterholz gespielt. Meine Mutter hat uns von weitem beobachtet. Alles schien ruhig und friedlich zu sein, wie immer in diesem Wald, aber das war es nicht. Ohne es zu ahnen spielten wir weiter, als wir plötzlich einen Schuss hörten. Keiner von uns dachte nur eine Sekunde lang nach und wir rannten sofort zu meiner Mutter...aber es war bereits zu spät. Der Jäger stand auf einer Lichtung und mein Vater griff ihn an. Es kostete ihn wenig Anstrengung, um ihn zu töten, aber mit einem zweiten Jäger hatte er nicht gerechnet. Von weitem habe ich meinem Vater genau in die Augen geblickt, als die Kugel ihn traf..." Jake spricht nicht mehr weiter. Er ist zutiefst verletzt. Es folgt eine lange Stille. Ich weiß nicht, was ich sagen könnte.
Auf einmal fängt sich Jake wieder und setzt von allein fort: "Ich wusste in dieser Situation natürlich nicht, wie ich reagieren sollte. Anstatt mich einfach irgendwo zu verstecken bin ich weggelaufen. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass das eigentlich eine dumme Idee war, denn ich hatte mich immer weiter von meinem Rudel entfernt und auch nach tagelanger Suche fand ich sie nicht mehr. Ich war noch sehr jung, konnte mich weder orientieren, noch verteidigen. Jagen war zu diesem Zeitpunkt auch nicht meine größte Stärke. Ein paar Mäuse und den ein oder anderen Vogel habe ich erwischt, aber von dem konnte ich nicht ewig leben. Durch einen glücklichen Zufall fand ich mich nach einiger Zeit am Waldrand wieder und zu meinem Vorteil war nahe dem Wald eine Stadt. In meiner Verzweiflung mischte ich mich unter die Menschen. Zum Glück beherrschte ich zu dieser Zeit schon die Verwandlung in einen von ihnen. Und so lebte ich immer unter ihnen, zog von Stadt zu Stadt und schlief in der Gosse. Der Taschendiebstahl brachte mir die ein oder andere Mahlzeit ein. Tja, dadurch konnte ich überleben." Oh Mann, so eine traurige Lebensgeschichte habe ich noch nie gehört...und ich dachte mein Leben wäre eine Tragödie..."Na Jess, hat es dir die Sprache verschlagen?" Jake lächelt mich an. Nicht zu fassen, wie er es selbst nach so einer Geschichte noch fertigbringt zu lachen.
Etwas verdutzt schüttle ich den Kopf: "Ähm...nein, nein. Das Ganze war nur eine ziemlich heftige Geschichte. Damit habe ich nicht gerechnet. Du musstest wirklich schon viel ertragen."
Er zuckt mit den Schultern: "Tja, so ist das Leben nun mal. Ich hoffe du verstehst nun, warum ich die Menschen nicht wirklich ausstehen kann."
Ich zögere etwas bevor ich versuche ihm meinen Standpunkt etwas näher zu bringen: "Ja schon, aber es gibt ja auch andere, nette Menschen."
"Ach, tatsächlich?" Jake hat einen ironischen Unterton in der Stimme. "Die musst du mir einmal zeigen."
Sein Sarkasmus macht mich irgendwie sauer: "Jetzt tu nicht so! Was ist mit George und Jane? Die beiden haben mich großgezogen. Sie waren immer sehr gut zu mir."
"Ja, weil sie glauben, dass du ein Mensch bist, so wie sie." Was soll denn das jetzt wieder heißen?
Ich sehe ihn fragend an: "Wie meinst du das?"
Er lacht spöttisch: "Glaubst du allen Ernstes, dass sie dich noch immer so freundlich aufnehmen würden, wenn du als Wolf vor ihnen stehst? Sie würden dich verstoßen! Ohne Kompromiss!"
"Das weißt du doch gar nicht!" Jetzt bin ich wirklich sauer. Wie kann er es nur wagen, so über sie zu reden? Sie sind zwar nicht meine leiblichen Eltern, aber George und Jane haben mich immer wie ihre eigene Tochter behandelt. Sie
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