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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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erzitterte. Hufschlag donnerte heran. Er drehte sich um. Zwanzig Ritter kamen den Hang hinaufgaloppiert.
     Einer hielt die kaiserliche Fahne in den Wind: Gelb und Schwarz, und übergroß der Reichsadler. Neben der Mühlenruine zügelten
     sie die Pferde und saßen ab. Jetzt erst entdeckte er unter ihnen den Kaiser. Er trug den Umhang mit dem Zobelpelzkragen, den
     er liebte, und darunter ein Hemd von goldenem Stoff. Der Wind wehte ihm ins rotblonde Haar und stellte es auf. Er lachte sein
     übermütiges Lachen. »William!«
    |79| Die Bauern fielen nieder auf ihr Gesicht. Der Kaiser beachtete sie nicht. Er tat ganz so, als seien sie nicht da, und blickte
     allein William an. »Habe ich doch richtig gelegen. Das konntet nur Ihr sein. Wieder mal allein auf Feld und Flur unterwegs?«
    »Steht es einem Franziskaner nicht gut zu Gesicht? Unser Ordensgründer hat mit den Tieren gesprochen, als seien sie seinesgleichen.
     Ich bin überzeugt, ein Mensch bleibt nur dann wahrer Mensch, wenn er sich dem Wind und der Sonne und den Kreaturen stellt.«
    »Das klingt gut, verehrter William. Aber ist es nicht bloß ein frommer Spruch?«
    »Mitnichten! Kommt her, laßt es mich Euch zeigen! Die Schöpfung zu sehen, das vermittelt eine Empfindung für das Wesen Gottes.«
    Ludwig rief den Rittern zu: »Wartet hier!« Er ging mit William einige Schritte am Hang entlang. »Wieder einmal das neue Landrecht.
     Zwei Jahre ringe ich nun schon darum, und die Bayern wollen und wollen es nicht begreifen.«
    William stellte sich mit dem Rücken zur Stadt und blickte weit über das Land. Er schwieg. Die Sonne schien ihm ins Gesicht.
     Er wußte, der Kaiser nutzte ihn für seine Ränke und Machtkämpfe, er war für ihn nur eine Schachfigur, wenn auch eine, die
     er hochschätzte und nicht vollständig verstand. Nun, es sei. Er konnte seinerseits auch Ludwig beeinflussen.
    Er sah aus dem Augenwinkel, wie sich die Bauern vorsichtig erhoben und an der abgewandten Seite des Hangs hinabstiegen. Sie
     wandten sich immer wieder um und blickten voller Erstaunen auf den Kaiser. So nahe waren sie ihm mit Sicherheit noch nie gewesen.
    Es war ein guter Tag. Er atmete tief ein und schloß die Augen. Das Leben war nicht so geordnet, wie man es sich wünschte,
     es überraschte und verärgerte und verletzte. Aber es wies noch Spuren der ursprünglichen Art ihrer Existenz auf, wie sie Gott
     sich gedacht haben mußte.
    Der Kaiser fragte: »Worüber sinnt Ihr nach?«
    |80| »Darüber, wie das Leben mitunter spielt.«
    »Es entbehrt nicht eines gewissen Hohns, nicht wahr? Allein die Geschichte Eures unglücklichen Ordens.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Nun, Ihr habt Euch abgegrenzt vom Reichtum der Kirche, habt Armut gepredigt, habt als Bettler gelebt. Das aber hat Euch soviel
     Sympathie beim Volk eingebracht, daß man Euch regelrecht mit Spenden und Stiftungen überhäuft hat. Wie sollen Mönche in Armut
     leben, während eine Flut von Geschenken über sie hereinbricht?«
    »Ich verstehe, was Ihr meint. Der Orden hätte die Geschenke zurückgeben sollen.«
    »Vielleicht hätte Franziskus das befohlen. Aber der Ordensgründer war ja tot, und Ihr dachtet, eine gute Lösung gefunden zu
     haben.«
    Er öffnete die Augen wieder. »Mir gefällt der Tonfall nicht, den Ihr anschlagt, Majestät. Hätte der Papst nicht aus Wut auf
     unsere Güter verzichtet – wann war das, im Dezember 1322? – und uns damit gezwungen, reich zu sein, während wir doch arm sein
     wollten, es wäre alles gut gegangen. Wir wollten nur Verwalter sein, versteht Ihr? Die Güter gehörten doch rechtlich dem Papst,
     wir haben sie im Grunde weitergeschenkt!«
    »So spielt das Leben. Wer reich sein will, bleibt arm, und wer arm sein will, wird reich. Aber im Ernst gesprochen: Die Halsstarrigkeit
     von Papst Johannes hat aus dieser Begebenheit ein Gebräu gemacht, das ganze Völker vergiftete, ist es nicht so? Hätte er nicht
     die Lehre für häretisch erklärt, daß Jesus Christus und seine Apostel nichts besaßen, dann hätte er nicht den Widerstand Eures
     Ordens herausgefordert.«
    »Es war mit Sicherheit kein Versehen. Wenn er es nicht schon wußte, dann haben es ihm seine Berater gesagt. Nichts leuchtet
     rascher ein, als daß man den Bettelorden ihre Grundlage entzieht, sobald man die Armutslehre verbietet.« Der Falke schien
     etwas gefunden zu haben. Er flog auf der Stelle, rüttelte mit den Flügeln und schaute dabei hinab. Dann stieß er in die Tiefe.
    |81| »Ihr habt recht getan, Johannes

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