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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Details über Alibis von Friedensaktivistinnen zu versanden.«
    »Ein interessanter Standpunkt, aber dafür sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Ich bin nur ein einfacher Polizist, Lindsay, mit großen Theorien von Verschwörung fange ich wenig an. Das überlasse ich lieber den Experten. Und Ihnen rate ich dringend dasselbe.«
    Einfacher Polizist, mein lieber Schwan!, dachte Lindsay. »Ist das eine Warnung, Jack?« fragte sie betont unschuldig.
    »Keineswegs, Lindsay. Ich versuche nur, Ihnen so schlicht wie möglich etwas begreiflich zu machen. Hier geht es nicht um James Bond, sondern um die brutale Reaktion auf eine alltägliche Situation. Um Leute, die fälschlicherweise meinen, sich mit gewaltsamen Mitteln verteidigen zu müssen. Alles andere geht mich nichts an. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Und wer ist dann der blonde Jüngling, der mir andauernd folgt? Stapo, Geheimdienst?«
    »Wenn Sie Mr. Stone meinen – er kommt nicht von der Staatspolizei. Angehörige dieser Abteilung gibt es hier keine. Und Sie werden auch nicht beschattet, denn das würde ich wissen. Wenn hier jemand überwacht wird, dann sind das nicht Sie. Sie sollten aufhören, so paranoid zu sein.«
    Fast hätte Lindsay gelächelt. »Ja, wissen Sie denn nicht, Jack – nur weil ich aufhöre, paranoid zu sein, lassen die noch lange nicht die Finger von mir.«

FÜNFZEHN
    Lindsay stöberte in ihrer Schreibtischschublade, bis sie eine leere Kassette gefunden hatte. Dann ging sie hinüber in das große L-förmige Wohnzimmer. In der Ecke stand eine Stereoanlage mit Kassettendeck. Sie schob das Band zum Kopieren hinein und verbrachte die Wartezeit zusammengerollt auf einem der eleganten grauen Chesterfields. Es war traumhaft, sich auf dem bequemen Sofa auszustrecken, umgeben von der entspannten Atmosphäre, die Cordelias untrüglicher Geschmack in Fragen der Wohnungseinrichtung schuf. Wenn sie dann wieder an die miesen Bedingungen im Camp dachte, ließ sich ein leichtes Schuldbewußtsein nicht verdrängen. Schlechten Gewissens fiel ihr ein, was sie beim allerersten Besuch in Cordelias Reich empfunden hatte. Sie war schlichtweg überwältigt gewesen von der luxuriösen Ausstattung des imposanten Gebäudes am Park. In Gedanken hatte die Puritanerin in ihr monatelang entrüstet Preisschilder an die kleinen Kostbarkeiten in ihrer Umgebung verteilt. Jetzt fühlte sie sich hier mehr zu Hause als in ihrer Glasgower Wohnung, die sie zum Selbstkostenpreis an Studentinnen vermietete.
    Ihre Überlegungen wanderten zurück zu dem Gespräch mit Rigano. Was den blonden Kerl betraf, stand für sie fest, daß er mit dem Geheimdienst in Verbindung stand, nachdem Rigano den Bezug zu diesem elegant übergangen hatte, indem er jede Nähe zur Staatspolizei so heftig abgestritten hatte. Und wenn Stone nicht hinter ihr her war, hinter wem dann? Das hieß außerdem, sie war mit ihrer Annahme weitreichenderer politischer Zusammenhänge auf der richtigen Spur. Sie kapierte nur nicht, weshalb Rigano tatenlos zusah, wie die Dinge ihren Lauf nahmen, statt dieselben Personen aufs Korn zu nehmen wie sie.
    Ihre Vermutungen konnten natürlich auch allesamt falsch sein und die beiden Ereignisse in überhaupt keiner Verbindung stehen, der Mord konnte auch eine rein persönliche Angelegenheit sein. Das würde den Ball wieder Warminster, Mallard beziehungsweise dem unbekannten Motorradrowdy, aber auch Alexandra und Carlton zuspielen. Das Interesse des Sicherheitsdienstes könnte dann als Sorge um eine ihrer Operationen erklärt werden, die sie durch die Arbeit der Polizei gefährdet sehen. Da Lindsay überhaupt noch keine klaren Vorstellungen zum Motiv für den Mord an Rupert Crabtree hatte, stand jede der beiden Möglichkeiten offen. Trotzdem zielte der Anschlag auf Deborah offensichtlich dahin, sie zum Schweigen zu bringen. Sonderbar war dann allerdings die Sicherheit, mit der der Mörder annahm, Deborah hätte das, worum es ging, für sich behalten. Auch schien die Wahrscheinlichkeit, daß sie jetzt sprechen würde, eher gering, da sie ja nicht aus Angst geschwiegen hatte, sondern weil sie die Bedeutung ihres Wissens eben nicht erkannte. Lindsay seufzte laut auf. Es war so nervig, sich die ganze Zeit im Kreis zu drehen.
    Sie ging die Unterhaltung mit Rigano innerlich noch einmal durch. Da tauchte einer seiner Nebensätze mit einem dicken Ausrufezeichen in ihrem Gedächtnis auf: »…um Leute, die fälschlicherweise meinen, sich mit gewaltsamen Mitteln verteidigen zu

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