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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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müssen…«, hatte er bitter bemerkt. Und plötzlich fügte sich das Puzzle wie von selbst zusammen. Lindsay sprang auf und lief zum Telefon. Schade, daß Cordelia nicht da war, sonst hätte sie ihr die Theorie darlegen und gemeinsam mit ihr Schwachstellen ausfindig machen können. Sie hämmerte die Nummer des Fordhamer Kommissariats in den Apparat und trommelte ungeduldig auf die Tischplatte, während die Verbindung zustande kam.
    »Hallo… Kommissar Rigano, bitte«, verlangte sie. Es folgte die übliche Sequenz von Klickgeräuschen und dumpfem Schweigen. Dann meldete sich wieder die Vermittlung mit der Nachricht, daß Rigano außer Haus sei. Aber Lindsay ließ sich nicht abwimmeln.
    »Können Sie ihm etwas ausrichten? Bitte teilen Sie ihm mit, Lindsay Gordon hat angerufen und muß ihn dringend sprechen. Ich mach’ mich jetzt gleich auf den Weg nach Fordham und werd’ in etwa eineinhalb Stunden da sein – sagen wir um siebzehn Uhr. Wenn er bis dahin nicht zurück ist, warte ich. Haben Sie das?«
    Die Frau an der Vermittlung schien leicht betäubt von Lindsays Dampfwalzenmethodik, wiederholte aber pflichtbewußt die Botschaft und versprach, sie über Funk durchzugeben. Mit der Originalkassette in der Jackentasche verließ Lindsay die Wohnung. Den Anrufbeantworter und ihr Versprechen Cordelia gegenüber hatte sie total vergessen.
    Sie ging zur Garage, wo sie das Auto abgestellt hatte und bewegte sich bald danach durchs Verkehrsgewühl. Jede Lücke ausnutzend wechselte sie von einer Spur auf die andere. Während sie ihren MG durch die hektischen Straßen lenkte, die zur M4 führten, zwang sie sich, ihre Aufregung zu verdrängen und nicht mehr an Mord und die dazugehörigen Motive zu denken.
    Zehn Minuten zu früh bremste sie vor dem Kommissariat in Fordham. Der ältliche Wachtmeister am Empfang informierte sie, daß Rigano innerhalb der nächsten halben Stunde zurück erwartet würde und auf ihren Besuch vorbereitet sei. Sie wurde in einen kleinen Warteraum in der Nähe seines Büros geführt und eine mütterlich wirkende Polizeibeamtin brachte ihr eine Tasse mit frisch gebrautem, starkem Tee. Lindsay hatte Schwierigkeiten, still zu sitzen und rauchte in den folgenden zwanzig Minuten eine Zigarette nach der anderen. Trübsinnig starrte sie auf ihren Glimmstengel und blies den Rauch zur Decke. Egal wie ernsthaft sie versuchte, es aufzugeben: Bei der ersten Krisensituation klammerte sie sich wieder ans Nikotin mit der verzweifelten Abhängigkeit des Alkoholikers von der Flasche.
    Rigano kam selbst, um sie zu seinem Zimmer zu geleiten. Seine Laune schien sich wieder gebessert zu haben, denn sie entdeckte keine Spur von Widerwillen in seinem Verhalten.
    Aber er schien entschlossen, Distanz zu wahren. Sie blieben allein in seinem Büro, kein Untergebener oder anderer Beamter nahm das Gespräch auf. Für Lindsay kam das unerwartet, aber nicht ungelegen. Was sie zu sagen hatte, brauchte kein großes Publikum. Und sollten sich verbale Auseinandersetzungen zwischen ihnen nicht vermeiden lassen, war es sowieso besser, wenn keine Aufzeichnungen darüber existierten.
    »Also«, sagte er und zeigte auf einen Stuhl, als er um seinen Schreibtisch herumging, um daran Platz zu nehmen. »Sie scheinen es ja sehr eilig zu haben, mit mir zu reden, wo Sie doch noch unlängst kaum ein Wort für mich übrig hatten. Welchem Umstand verdanke ich das Tauwetter? Sicher nicht meinem umwerfenden Charme.«
    »Der Angst – teilweise«, antwortete sie. »Vor kurzem sagte ich, daß ich schön blöd wäre, weiterhin meinen Mund zu halten, wenn ich wüßte, wer Crabtree umgebracht und Deborah angefallen hat. Also, ich glaube, ich weiß es jetzt, und ich bin bereit, darüber zu reden.«
    Wenn sie Zeichen von Überraschung oder Bestürzung erwartet hatte, wurde sie enttäuscht. Seine Augenbrauen zuckten leicht und er meinte einfach: »Das setzt voraus, daß zwischen den beiden Ereignissen eine direkte Verbindung besteht.«
    Lindsay war verwirrt. »Ja, aber selbstverständlich! Das nimmt Ihnen doch keiner ab, daß da draußen gleich zwei wahnsinnige Mörder herumlaufen? Außerdem bestand auch schon eine Verbindung zwischen Deborah und Crabtree, als er noch am Leben war. Also, für mich ergibt sich ein eindeutiger Bezug, wenn beide innerhalb weniger Tage am selben Ort in Mordanschläge verwickelt werden.«
    »Der Überfall auf Deborah Patterson könnte ein Zufallsattentat auf irgendeine Friedensaktivistin sein, begangen von jemandem, der einen Zorn auf

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