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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vermerkt. Ebenso die Goldpreise an den wichtigsten Handelsplätzen Illusions oder aktuelle Nachrichten über den Adel und andere hoch gestellte Persönlichkeiten.
    Diese Verteilerlisten waren, so erinnerte sich Stella, hervorragende Verstecke für geheime Nachrichten. Ein Schattenwort konnte sich also durchaus in einem Wunschprogramm verbergen. Doch wie sollte sie unter den Hunderten oder gar Tausenden von Listen die richtige herausfinden?
    Stella dachte einige Straßenzüge lang über diese Frage nach, bis sie sich an Sesa Minas jüngste Äußerung erinnerte. Also bat sie das Frettchen um einen Rat.
    »Jede Liste trägt einen Namen«, antwortete Sesa Mina, »gewöhnlich den des Listenempfängers. Frage nach der Liste › Kagee ‹. Das dürfte dich zum Erfolg führen.«
    Diese Hoffnung bestätigte sich zunächst nicht. Als die beiden Reisenden nämlich den Zentralen Botendienst erreicht hatten – ein roter, zwölf Stockwerke hoher Ziegelbau, klobig wie ein Stück Butter –, erhielten sie von dem ungewöhnlich freundlichen Verteilungsbeamten einen abschlägigen Bescheid. Eine Liste für Kagee gebe es nicht, erklärte er nach längerem Suchen in einem dicken Folianten. Dabei machte er ein Gesicht, als wolle er Stella zum Hinscheiden eines geliebten Angehörigen kondolieren.
    Stella bedankte sich und verließ den Ziegelbau wieder. »Das war Nummer eins«, sagte sie. Im Geist zerriss sie den Namenszettel, der sich in Illusions Wirklichkeit schon längst in blaue Tinte verwandelt hatte.
    »Elektra hat uns noch einige Städte genannt«, tröstete sie Sesa Mina. »Es wäre ja wirklich zu einfach, wenn wir gleich in der ersten fündig würden.«
    Stella nickte. Mina hatte natürlich Recht. Sie gingen zum Hafen zurück und lösten den zweiten Namen auf.
    Cienen vermittelte Stella den Eindruck einer typischen Nachrichtenstadt. Der Ort war etwas größer als Emesen-Beecee, aber im Wesentlichen befanden sich hier dieselben Wirklichkeitshandwerker an der Arbeit wie dort, derselbe Schlag von Menschen: Ein jeder lief auch noch der albernsten Nachricht hinterher, wenn sie nur den Geruch des Absonderlichen, Spektakulären oder schlicht des Neuen an sich hatte. Stella staunte nicht wenig, wie vielen dieses Gewerbe Arbeit und Brot versprach. Da musste es wohl unzählige andere Menschen geben, die nicht genug bekommen konnten von deren schillernden, kunstvoll modellierten Wirklichkeitsgebilden.
    Auch in Cienen gab es einen Zentralen Botendienst. Hier reichte das Gebäude nur drei Stockwerke hoch, in seiner Ausdehnung schien es dafür aber beinahe so weitläufig zu sein wie die Schwarze Sonne. Schon an dem mit prachtvollen Steinmetzarbeiten verzierten Portal hielt sie ein Posten auf. Er hatte das typische Kontrolleursgesicht.
    »Parole!«, blaffte er Stella an.
    Die war für einen Augenblick konsterniert.
    »Er will den Listennamen hören«, flüsterte Sesa Mina ihr zu.
    » Kagee «, sagte Stella schüchtern.
    Der Wachmann drehte den Oberkörper zur offen stehenden Tür hin und brüllte: » Kagee !« Das Wort wurde in den rätselhaften Tiefen des Gebäudes noch mehrere Male wiederholt. Dann trat Stille ein.
    »Hast du eine Ahnung, was das soll?«, fragte Stella leise ihren Pelzkragen.
    »Sie stöbern jetzt ein Zentralverzeichnis durch. Gleich wird die Antwort kommen.«
    Kaum hatte das Frettchen seine Erklärung ausgesprochen, drang aus den Tiefen des Botendienstbaus auch schon ein ferner Laut, der sich allmählich als ein Wort herauskristallisierte. Die letzten drei immer lauter werdenden Wiederholungen konnte dann auch Stella deutlich verstehen.
    »Negativ«, beendete der Posten die Kette.
    »Was?«
    »Die Parole ist falsch.«
    Stellas Hand fuhr zum Weißpelz auf ihrer Schulter.
    »Du hast noch viele Zettel«, flüsterte Sesa Mina.
    Stella zuckte mit der Schulter und kehrte dem einsilbigen Türsteher den Rücken.
    »Wo geht’s jetzt hin?«, erkundigte sich Sesa Mina, der dieser Spießrutenlauf auch noch Spaß zu machen schien.
    »Nach… Moment mal.« Stella drehte den Zettel in ihrer Hand. »Nach Wallstrejo – noch nie davon gehört.«
    »Die sind spezialisiert auf alles, was Kaufleute interessiert. Wenn du für deinen Marderhandel ein Verteilernetz gründen willst, dann solltest du zuerst die Nachrichten von Wallstrejo lesen.«
    Stella staunte immer wieder, was dieses Frettchen alles wusste. Mit gewohnter Sicherheit erreichten die beiden den neuen Zielpunkt. Wallstrejos Stadtmauern hätten bequem innerhalb von Cienen Platz

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