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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Dutzend Clubs, jedenfalls erzählte sie das, wenn sie manchmal spät heimkam. Ich hatte nie Zeit für Geselligkeiten. Ich mußte jeden Tag nach der Schule zu Mr. Rensdale eilen, aber ich fühlte mich jetzt nicht mehr so wohl bei ihm. Immer wieder mußte ich an das denken, was Vera mir erzählt hatte, was sie mit ihm tat. Manchmal dachte ich, daß sie log; dann wieder glaubte ich ihr. Eines Tages hatte Mr. Rensdale sein Sporthemd am Hals offenstehen, und seine Brust war wirklich sehr behaart, genau wie sie gesagt hatte. Sie hatte mir seinen nackten Körper so genau beschrieben, daß es mir fast vorkam, als wären seine Kleider durchsichtig. Ich konnte nicht in seine Richtung schauen.
    Die Mädchen aus der Schule luden mich ein, aber Papa ließ sie mich niemals besuchen. Er wollte, daß ich bei ihm daheim war, ihm zuhörte, ihm beim Rasieren zusah und mir erzählen ließ, was er bei der Arbeit durchmachte. Während er sich rasierte und ich auf dem Badewannenrand hockte, lernte ich alles über den Börsenmarkt. Es war wie ein verrücktes Spiel für sehr reiche Leute. Nur die, die schon Millionen besaßen, konnten sicher sein, Gewinn zu machen–die anderen nur, wenn sie ›intuitiv‹ waren.
    »Und du bist das«, sagte Papa und lächelte mich an, als er den Rasierschaum abwusch. »Audrina, der Schaukelstuhl hat dir geholfen, nicht wahr?«
    »Ja, Papa. Kann ich jetzt gehen? Ich möchte Arden anrufen und mich für morgen mit ihm verabreden. Ich möchte gern mit ihm ins Kino gehen.«
    »Ich gehe mit dir ins Kino.«
    »Vera geht auch mit Jungs ins Kino. Warum darf ich das nicht?«
    »Weil es mir verdammt egal ist, was Vera tut.«
    Ich hatte schon öfter deshalb mit ihm gestritten und verloren; ich würde wieder verlieren. Doch dann lächelte Papa mich an. »Nun, meine geliebte, ungeduldige Kleine, du wirst bald haben, was du dir am meisten wünschst. Morgen ganz früh fahre ich dorthin, wo Sylvia lebt, seit sie aus dem Krankenhaus gekommen ist. Ich habe bereits angerufen und alle notwendigen Vorkehrungen getroffen. Morgen werde ich Sylvia heimholen.«
    »Oh, Papa!« rief ich glücklich. »Danke, danke!«
    Schon früh am nächsten Morgen, lange bevor Papa aus dem Bett und unterwegs war, um Sylvia zu holen, raste ich durch den Wald zu dem Häuschen auf der anderen Seite. Der Wald war grün und üppig, erfüllt von der Schönheit des Frühlings. Ich hoffte, Arden zu erwischen, ehe er auf seinem Fahrrad davonfuhr, um die Morgenzeitungen auszutragen. Sein alter Wagen hatte ›den Geist aufgegeben‹ und wartete jetzt im Hof darauf, von Arden wieder repariert zu werden.
    Rotkehlchen und Dompfaffen saßen im Gras und kümmerten sich kaum um mich, als ich zur Haustür lief und sie aufstieß, ohne anzuklopfen. Ich lief geradewegs in die Küche, wo ich dann abrupt stehenblieb, mit offenem Mund.
    Da war Billie in Shorts und mit einem roten Oberteil. Zum erstenmal sah ich sie ohne all die langen, weiten Röcke, die sie immer so aussehen ließen, als hätte sie zwei Beine irgendwo darunter versteckt. Ihr Haar war offen und gewellt, das gestrickte Oberteil enthüllte einen bemerkenswert voluminösen Busen, aber alles, was ich sehen konnte, waren die beiden kleinen Stümpfe, die aus der kurzen Hose ragten. Sie sahen aus wie dicke Würste, die am Ende schmal wurden und säuberlich zusammengebunden waren. Kleine, strahlenförmig verlaufendeLinienmachtenFalten,dort,wodieüberschüssige Haut irgendwie befestigt worden war. Ich wich zurück.
    Es war jämmerlich, diese Stümpfe, wo ihre schönen Beine gewesen waren. Ich schaute ins Wohnzimmer hinüber, wo sie all die Fotos von sich selbst in Kostümen aufbewahrte. Ich unterdrückte einen Aufschrei, und dabei hatte ich doch kein Mitleid zeigen wollen. Ich hatte sie sehen wollen, hatte nichts sagen wollen, hatte so tun wollen, als bemerkte ich nichts.
    Zu meiner Überraschung fing Billie an zu lachen. Sie streckte den Arm aus, um meine Wange zu berühren, strich dann über mein vom Wind zerzaustes Haar. »Na los, starr sie nur an. Ich kann nicht sagen, daß ich dir einen Vorwurf deswegen mache. Sie sind kein hübscher Anblick, nicht wahr? Aber vergiß nicht, daß ich einmal zwei der schönsten, geschicktesten Beine hatte, die sich eine Frau nur wünschen kann. Sie haben mir gute Dienste geleistet, solange ich sie hatte, und die meisten Menschen werden niemals besitzen, was ich besessen habe.«
    Wieder war ich sprachlos.
    »Die Menschen lernen sich anzupassen«, sagte sie leise und berührte mich

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