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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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riss seinen Umhang von der Schulter und hob die Arme.
    »Meine Gnädigste! Darf ich Ihnen diese Pellerine anbieten! Es regnet ja. Ihr dürft nicht nass werden!«
    »Dankeschön…«, stotterte Madeleine. »Das ist schrecklich nett. Der Regen hat uns überrascht.«
    »Wir wären schon auf dem Rückweg, wenn Ihr uns nicht aufhalten würdet«, maulte Sean.
    »Wer – seid Ihr?« Madeleines Stimme war sanft.
    »Jean Grimaud, ich komme direkt aus Paris, der Stadt der Liebenden! Ich flog auf meinem Pferd dahin, um Euch vor dem Regenschauer zu erretten!« Grimaud lachte laut.
    Sean stand ratlos da. Langsam entspannte er sich. Er blieb aber wachsam, das Lachen dieses Mannes gefiel ihm nicht.
    »Ihr seid – galant!«, sagte Madeleine. »Und Ihr sprecht ein reines Französisch, Ihr stammt wohl auch aus der Ille de France?«
    »Aus Paris, Mademoiselle! Oder Madame? Nein, ich sehe es, Ihr tragt kein Ringlein der Treue. Wie schön! So darf ich Euch den Hof machen, nicht wahr, und verletze keine Etikette oder männliche Gefühle?«
    »Monsieur Grimaud«, sagte Sean mit fester Stimme. »Wir schätzen Eure Hilfe, aber…«
    »Aber?«
    »Der Begleiter dieser jungen Dame bin ich. Und ich glaube kaum, dass wir im Regen ertrunken wären, wenn Ihr nicht…«
    »Seid doch nicht beleidigt!«, lachte Grimaud. Seine Augen leuchteten auf eine Weise, die beinahe wehtat, wenn man hineinsah. »Ich schlage vor, wir streiten nicht, sondern machen uns auf den Weg ins Kloster. Die junge Dame wird aufsitzen, wir beiden Kavaliere gehen zu Fuß – zwei gleichberechtigte Beschützer.«
    Grimaud trat sehr nahe an Madeleine heran. Die junge Frau ließ sich aufs Pferd helfen und lächelte angenehm berührt. Dieser Fremde schien genau der Mann zu sein, nach dem sie sich sehnte. Ein aufmerksamer, galanter Mann mit feinen Manieren. Der kämpferische Uthman war aus einem viel gröberen Holz geschnitzt. Madeleine machte es sich auf der Satteldecke bequem, Grimaud ergriff die Zügel, und sie traten den Rückweg zum Kloster an.
    »Mit Verlaub«, sagte Grimaud, »Ihr seid die schönste Frau, die ich je auf Zypern sah! Und Ihr riecht so gut! Aber ich frage mich, ob Ihr die Gefahren nicht unterschätzt, die Euch hier draußen in der Wildnis drohen!«
    »Oh, ich habe einen kräftigen Begleiter, das seht Ihr ja«, lachte Madeleine.
    Grimaud warf Sean einen abschätzigen Blick zu. »Einen Jüngling! Das nennt Ihr ausreichenden Schutz?«
    Sean ärgerte sich. »Wo wir herkommen, spricht man nicht so herablassend von anderen, Herr!«
    »Wo kommt Ihr denn her, wenn ich fragen darf?«
    Madeleine erzählte es ihm. Grimaud hatte sie bereits derart um den Finger gewickelt, dass sie achtlos jede Vorsicht fallen ließ und ins Plaudern geriet. Sean räusperte sich daher vernehmlich.
    Madeleine stockte und sagte dann: »Die weite Reise über das Meer war gefährlicher als ein so kleiner Spaziergang am Rand einer Siedlung, mein Herr.«
    »Darf ich fragen, in welchen Geschäften Ihr unterwegs seid?«
    Sean antwortete: »Mein Herr ist auf Pilgerschaft. Wir begleiten ihn.«
    »Ah, es gibt einen Herrn! Wohl der Auserwählte der jungen Dame?«
    »Nein«, sagte Madeleine. »Wir sind – weitläufig verwandt.«
    Das Pferd scheute plötzlich, im Gras raschelte etwas und verschwand wieder, vielleicht eine Schlange. Als sie weitergingen, hörte der Regen auf. Madeleine schüttelte die Nässe ab und reichte Grimaud den Umhang zurück. Der nahm ihn und faltete ihn sorgfältig zusammen.
    »Und in welchen Geschäften seid Ihr unterwegs, Herr Grimaud?«, fragte Sean.
    Der Gefragte ignorierte ihn einfach. Er wandte sich ausschließlich an Madeleine.
    »Ich biete Euch für den Rest Eures Aufenthaltes meinen Schutz an, schöne Dame!«, sagte er. »Ich werde auf Euch aufpassen wie auf einen Schatz! Nicht nur bei Regenschauern!«
    »Sehr edel! Ich nehme Euer Angebot gerne an!«
    Madeleine fühlte sich wegen der Aufmerksamkeiten des schlanken, hoch gewachsenen Mannes, der so kultiviert war, zunehmend geschmeichelt. Sie sah, dass Sean zornesrot geworden war, fand aber, dass er dazu keinen Grund hatte.
    Sean sagte: »Ich bin ein Knappe, im Turnierkampf erprobt, das sollt Ihr wissen. Ich kann die Dame, die ich ausführe, durchaus allein schützen. Wir lehnen Euer Angebot also dankend ab.«
    »Aber nicht doch! Es ist besser, zwei wackere Kerle an der Seite zu haben, mein bester Knappe«, sagte Grimaud und sah Sean spöttisch an.
    Madeleine sah von einem zum anderen. Dann sagte sie: »Sean, lass mich

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