Das Nilpferd
wieder auf, nachdem Podmore uns verlassen hatte, »Gianni, denn das war sein Name, erklärte eifrig, mit einer dieser göttlich staubigen italienischen Stimmen, daß er Angst habe, er könne mir weh tun. ›Carissimo‹, sagte ich, ›ich gebe zu, es ist ein Monster, aber nach dem, was ich in der letzten Woche durchgemacht habe, hast du Glück, wenn er die Seiten berührt. Es wird wie ein Papierschiffchen auf dem Canal Grande sein.‹ Aber das reicht an Abenteuern. Reisen Sie viel, Bischof?«
Patricia stieß mich an. »Oliver erfindet das doch alles, oder?« flüsterte sie.
»Natürlich«, sagte ich. »Keiner hat mehr Sex, ob nun von vorn oder von hinten.«
»Wie meinst du denn das nun wieder?«
»Das große Paradox unserer Zeit. Bevor die offene Gesellschaft eingeführt wurde, waren alle überall zugange wie geile Ziegenböcke. Aber von dem Augenblick an, als dieJugend die ganze Zeit darüber reden wollte, konntest du nicht mal mehr flachgelegt werden, wenn du ’ne Flunder am Fischmarkt warst. Sobald etwas zum Recht wird, kriegt ihn keiner mehr hoch. Unsicherheit, verstehst du.«
»In
Geralds vierzehn Tage
, meinem dritten Roman …«, sagte Malcolm Whiting.
»Ich finde das alles so überflüssig«, bot die Purdom zu meiner Rechten an.
»Überflüssig?« Am anderen Ende der Tafel hatte Oliver die Lauscherchen aufgestellt.
»Hört, hört«, sagte Max.
»Der Protagonist von
Geralds vierzehn Tage
…«
»Der Tag, an dem Sex überflüssig wird«, sagte Michael, »wird wahrlich ein finsterer Tag sein.«
Ich war froh, daß er sich zur Teilnahme am Gespräch entschlossen hatte. Nichts ist schlimmer als ein Jude, der dasitzt und eine Konversation verfolgt. Bedächtig nicken sie mit jenem falschen Anflug rabbinischer Weisheit, daß man sofort mit Knüppeln auf sie einschlagen möchte.
»Wollen Sie damit sagen, Sex sei heute überflüssig wegen der künstlichen Befruchtung?« fragte Simon im kläglichen Versuch, halbwegs gebildet zu klingen.
»Ich sage ja nicht, daß Hex selber überflüssig ist …« Margaret Purdom gehört zu diesen widerlichen Großbürgern, die sich einfach nicht dazu durchringen können, das »S« in Sex auszusprechen. »Ich meine bloß dieses endlose
Drüberreden
und daß man’s im Fernsehen zeigt und uns immerzu mit der Nase drauf stößt.«
»Schockiert Sie das, Mrs. Purdom?« fragte Oliver.
»Natürlich nicht … es kommt bloß so ungebeten. Neulich war da diese Sache …«
»Was ist mit Teetrinken?«
»Wie bitte?«
»Teetrinken«, sagte Oliver. »Haben Sie etwas gegen Teetrinken im Fernsehen?«
»Nein, natürlich nicht. Ich verstehe nicht …«
»Und doch
bittet
niemand um Teetrinken, oder? Ich meine, in Fernsehserien könnte die Kamera ohne Not den kochenden Kessel zeigen und dann einen diskreten Schnitt folgen lassen. Aber nein, sie müssen die ganze Angelegenheit zeigen. Anwärmen der Teekanne, Eingießen, Einwerfen des Zuckerwürfels und langsames Schlürfen aus der Tasse. Ist das nicht auch ›überflüssig‹? Kommt das etwa nicht völlig ungebeten?«
»Kaum zu vergleichen, Oliver«, sagte Max.
»Nein, natürlich nicht! Weil das Teetrinken niemanden schockiert, oder? Sex schockiert einen, aber keiner gibt das zu. Ich könnte diese Mary-Whitehouse-Kreatur und ihre moralische Minderheit akzeptieren, wenn sie die Mabel Mumm hätten zuzugeben, daß sie in der Tat ehrlich und tief schockiert sind über das Schauspiel nackten Kopulierens auf öffentlichen Bildschirmen. Bis in ihre flanellenen Schlupfschlüpfer hinein schockiert. Aber statt dessen halten sie es für beeindruckender, wenn sie sich diesen dämlichen Anflug von Weltlichkeit geben. ›Ich bin nicht
schockiert
‹, sagen sie, ›ach du meine Güte, nein. Ich finde es bloß alles so ermüdend‹, als wäre Laura Langeweile gleich eine Vivian Verbrechen.«
Während Ma Purdom noch mit der Antwort haderte (in einem Schlagabtausch, den Oliver, wie ich vermutete, schon mehr als einmal durchgefochten hatte … wahrscheinlich in einer dieser Talkshows, bei denen man die Moderatoren anrufen kann, die die BBC uns jetzt ohne Ende auferlegt im vergeblichen Versuch, dem Publikum in den Arsch zu kriechen), eilte ihr kühner Gatte Tom zur Verteidigung herbei.
»Ja, das ist nun alles sehr clever ausgedacht«, sagte er, »aber Sie können nicht abstreiten, daß die Welt sich in einem moralisch degenerierten Zustand befindet.«
»Aber kein Gedanke, mein Bester. Die Menschen lügen, betrügen, vergewaltigen, schwindeln, töten,
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