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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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sich unsere Witterung als falsch herausstellen würde. Und trotzdem… trotzdem… Gut, Watson, wir können nichts tun als den Versuch wagen.«
      Im Gehen band er ein Ende der Schnur fest um den Griff des Revolvers. Dann erreichten wir den Schauplatz der Tragödie. Sehr sorgfältig machte er nun mit Hilfe des Polizisten die genaue Stelle aus, wo der Leichnam gelegen hatte. Dann suchte er zwischen Heidekraut und Farn, bis er einen Stein von beträchtlichem Gewicht gefunden hatte. Den band er an das andere Ende der Schnur und hängte ihn über die Brückenbrüstung, so daß er frei über dem Wasser schwang. Dann stellte er sich an den verhängnisvollen Platz in einiger Entfernung vom Brückenrand, meinen Revolver in der Hand; die Schnur war zwischen der Waffe und dem Stein am anderen Ende straff gespannt.
      »Los jetzt!« rief er.
      Damit hob er den Revolver an seine Schläfe, ließ ihn aber gleich wieder los. Blitzschnell wurde die Waffe durch die Wucht des Steins weggerissen, schlug mit scharfem Knall gegen die Brüstung und war über die Seite ins Wasser verschwunden. Kaum war der Revolver fort, kniete Holmes auch schon vor der Brüstung, und ein freudiger Aufschrei zeigte an, daß er gefunden, was er erwartet hatte.
      »Hat es je eine exaktere Demonstration gegeben?« rief er. »Sehen Sie, Watson, Ihr Revolver hat das Problem gelöst!«
      Während er das sagte, deutete er auf eine zweite Kerbe, die genau dieselbe Größe und Form wie die erste besaß, die er an der Balustrade entdeckt hatte.
      »Wir bleiben heute nacht im Wirtshaus«, fuhr er fort, stand auf und wandte sich an den staunenden Sergeanten. »Sie werden sicherlich einen Enterhaken auftreiben können. Fischen Sie damit den Revolver meines Freundes heraus. Und Sie werden daneben auch noch den Revolver, die Schnur und das Kontergewicht finden, womit die rachsüchtige Frau ihr eigenes Verbrechen zu verbergen und gleichzeitig ein unschuldiges Opfer mit einer Mordanklage zu belasten suchte. Richten Sie Mr. Gibson aus, daß ich am Morgen zu ihm komme, um Schritte zu Miss Dunbars Rechtfertigung abzusprechen.«

    Als wir am Abend im Dorfgasthof beisammensaßen und unsere Pfeifen rauchten, vermittelte Holmes mir einen kurzen Rückblick auf die wirklichen Ereignisse.
      »Ich fürchte, Watson«, sagte er, »Sie werden mit dieser Geschichte Ihr Ansehen nicht ein bißchen verbessern, wie es mir vielleicht gelungen ist, indem ich das Geheimnis der Thorbrücke Ihren Annalen hinzufügte. Ich war träge im Denken und ließ in der Mischung von Phantasie und Sinn für Realität, der Grundlage meiner Kunst, manches zu wünschen übrig. Ich bekenne, daß die Kerbe an der Steinbrüstung ausgereicht haben müßte, mir die richtige Lösung vorzustellen, und daß ich mir den Vorwurf mache, nicht früher schon dahintergekommen zu sein.
      Man muß zugestehen, daß die Art und Weise, wie das Hirn dieser unglücklichen Frau arbeitete, dunkel und erfinderisch war, so daß es keine leichte Sache war, ihr Komplott zu enträtseln. Ich glaube, in all unseren Abenteuern sind wir nie auf ein merkwürdigeres Beispiel der Auswirkungen pervertierter Liebe gestoßen. Der Unterschied, ob Miss Dunbar in einem körperlichen oder in einem geistigen Sinn ihre Rivalin war, interessierte nicht, beides wog für sie gleich schwer und erschien unverzeihlich. Zweifellos machte sie die unschuldige Dame für die harte Behandlung und all die unfreundlichen Worte verantwortlich, womit ihr Mann ihre allzusehr zur Schau getragene Zuneigung zurückzuweisen versuchte. Ihr erster Entschluß bestand darin, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Der zweite zielte darauf ab, es so zu tun, daß ihr Opfer in ein Verderben geriet, das viel ärger war als ein plötzlicher Tod.
      Wir können die verschiedenen Schritte ziemlich deutlich erkennen, und sie zeichnen sich durch bemerkenswerten Scharfsinn aus. Schlau wurde Miss Dunbar eine schriftliche Nachricht entlockt, die den Anschein erwecken mußte, sie sei es gewesen, die den Schauplatz des Verbrechens bestimmt habe. Im Eifer dann, daß die Nachricht auch ja entdeckt werde, hat die Frau den Bogen überspannt; sie behielt das Blatt bis zuletzt in der Hand. Dieser Umstand allein hätte meinen Verdacht schon früher wecken müssen.
      Sie nahm einen der Revolver ihres Mannes – der besaß ja, wie Sie sehen konnten, ein ganzes Arsenal – und behielt ihn für ihre Zwecke. Einen zweiten ganz ähnlichen versteckte sie an jenem Morgen in Miss

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