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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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aufgewachsen war.
    Es wurde beschlossen, dass Catherine und Ashley im Haus bleiben würden. Catherine, die es immer noch bedauerte, O’Con nell nicht erschossen zu haben, als sich ihr die Gelegenheit dazu bot, war dafür zuständig, sich für den Fall, dass O’Connell plötzlich an ihrer Haustür stehen sollte, ein System an Schutzvorkehrungen auszudenken.
    Das war Sallys allergrößte Sorge: dass er zuschlagen würde, bevor sie handeln konnten.
    Gegenüber Hope und Scott vermied sie es allerdings, von einem Wettlauf zu sprechen.
    Sie nahm aber an, dass sie alle das Gleiche dachten.
     

     
    Einen Moment lang beäugte sie mich, als erwartete sie, dass ich etwas sagte.
    Doch als ich schwieg, fragte sie geradeheraus: »Haben Sie sich schon mal gründlich mit der Vorstellung vom perfekten Verbrechen befasst? Ich habe einige Zeit darauf verwendet, mich mit ein paar Fragen auseinanderzusetzen. Was ist Recht? Was ist Unrecht? Was ist gerecht? Was ist ungerecht? Am Ende bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass das perfekte Verbrechen, das wirklich perfekte Verbrechen nicht nur daran hängt, ob man ungeschoren davonkommt – das wäre die Mindestanforderung –, sondern dass man dabei auch eine tiefgreifende psychische Veränderung auslöst.Es muss eine Erfahrung sein, die das ganze Leben grundlegend verändert.«
    »Einen Rembrandt aus dem Louvre zu stehlen würde demnach nicht genügen?«
    »Nein, das macht einen höchstens reich. Und es macht einen allenfalls zu einem Kunsträuber. Nicht viel anders als der kleine Ganove, der im Laden an der Ecke die Knarre schwingt. Ich denke, das perfekte, vielleicht sollte ich besser sagen: das ideale Verbrechen ist eher auf der moralischen Ebene angesiedelt. Es macht ein Unrecht gut. Es schafft Gerechtigkeit, statt ihr zuwiderzulaufen. Es öffnet Horizonte.«
    Ich wich auf meinem Stuhl zurück. Mir lagen Dutzende Fragen auf der Zunge, doch es erschien mir sinnvoller, sie einfach reden zu lassen.
    »Und noch etwas«, fügte sie kalt hinzu.
    »Was denn?«
    »Das Verbrechen stellt die Unschuld wieder her.«
    »Sie meinen, Ashley?«
    Sie lächelte. »Natürlich.«

34
Die Frau, die Katzen liebte
     
    Das Halbfinale ging ins Elfmeterschießen.
    Im Sport, musste sie denken, gab es wahrlich eine ganze Reihe grausamer Abschlussrituale, doch das hier war eins der schlimmsten. Hopes Mannschaft war eindeutig unter Druck geraten, hatte jedoch zu einer Willensstärke gefunden, die ihr half, dem Gegner standzuhalten. Ganz offensichtlich waren die Mädchen er schöpft, und die Anstrengung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie waren alle schweiß- und dreckverschmiert, und mehr als eine hatte blutige Knie. Die Torhüterin rannte im Hintergrund nervös hin und her. Hope überlegte, ob sie hingehen und etwas zu ihr sagen sollte, doch dann verstand sie, dass dies ein Moment war, in dem ihre Spielerin auf sich gestellt war. Falls sie das Mädchen beim Training nicht angemessen vorbereitet hatte, dann gab es nichts, womit sie das Defizit jetzt in der letzten Minute wettmachen konnte.
    Sie hatten das Glück nicht auf ihrer Seite. Hopes fünfte Schützin, ihre Kapitänin, Liga- und Regionalklassenspielerin, die in ihren vier Studienjahren noch keinen Elfmeter verschossen hatte, traf die Querlatte, und so endete die Saison mit dem hässlichen Geräusch eines Balls, der an Metall abprallt. Einfach so, ungefähr so heftig wie eine Herzattacke. Die Mädchen des gegnerischen Teams kreischten vor ungezügelter Freudeund rannten nach vorne, um ihre Torwartin zu umarmen, die während des ganzen Elfmeterschießens kein einziges Mal mit dem Ball in Berührung gekommen war. Hope sah, wie ihre eigene Spielerin auf dem schmutzigen Spielfeld in die Knie ging, bevor sie das Gesicht in die Hände legte und in Tränen ausbrach. Die anderen Mädchen waren nicht weniger am Ende, und Hope spürte, dass ihre eigenen Nerven blanklagen. Dennoch schaffte sie es, ihnen zu sagen: »Lasst eure Mannschaftskameradin da draußen nicht alleine. Ihr gewinnt als Team, und ihr verliert als Team. Geht zu ihr und erinnert sie daran.«
    Die Mädchen rannten alle zu ihrer Kapitänin, und Hope fragte sich, woher sie die Energie dazu nahmen. Sie war in diesem Moment auf sie alle stolz. Siege, dachte sie, bringen geteilte Freude. Niederlagen erweisen den wahren Charakter. Hope sah zu, wie sich die Mannschaft auf dem Spielfeld versammelte. Sie dachte daran, dass sie in den nächsten Tagen eine weitere Schlacht zu schlagen hatte. Sie

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