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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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er ihr bereits gefährlich nahe. Als sie abdrückte, warf er sich auf sie.
    Sie spürte den Rückschlag der Waffe in ihrer Hand, hörte ein schnappendes Geräusch und einen dumpfen Schlag, dann taumelte sie zurück, prallte gegen den Küchentisch, so dass er zu Boden krachte und leere Schnapsflaschen durch den Raumflogen, um an Wänden und Schränken zu zersplittern. Hope fiel zu Boden und bekam einen Moment keine Luft. O’Connells Vater, der furchterregende Urlaute von sich gab, polterte auf sie. Er krallte sich in ihre Gesichtsmaske und versuchte, ihr die Kehle zuzudrücken, während er wild um sich schlug.
    Ob ihr erster Schuss ihn getroffen hatte, konnte sie nicht sagen. Sie versuchte mit aller Macht, die Waffe zu heben und noch einen Schuss abzufeuern, doch da legte O’Connell seine Hand wie einen Schraubstock um ihre und versuchte, die Waffe wegzuschleudern.
    Hope holte mit dem Bein aus und stieß ihm das Knie in die Leiste, so dass er vor Schmerz stöhnte, ohne dass es seinen Angriff dämpfte. Er war stärker als sie, das wusste sie sofort, und er versuchte, die Pistole nach hinten zu biegen, so dass der Lauf auf ihre Brust und nicht auf seine zeigte. Gleichzeitig drosch er mit der freien Hand auf sie ein. Die meisten Schläge gingen daneben, doch es trafen sie immer noch genug, dass ihr der Schmerz wie rote Schleier hinter die Augen trat.
    Wieder rammte sie das Knie hoch, und diesmal warf die Wucht sie beide nach hinten, so dass noch mehr Gegenstände durch den Raum flogen. Ein Papierkorb fiel um, und der Kaffeesatz aus alten Filtertüten vermischt mit Eierschalen breitete sich über den Boden aus. Sie hörte noch mehr Glas zersplittern.
    O’Connell war ein erfahrener Kneipenschläger und wusste, dass die meisten Kämpfe durch die ersten Treffer entschieden wurden. Er war verwundet und fühlte, wie ihm der Schmerz durch den ganzen Körper schoss, doch es gelang ihm einigermaßen, ihn zu ignorieren und mit aller Kraft zu kämpfen. Weit mehr als Hope spürte er tief in seinem Innern, dass dieser Kampf der wichtigste in seinem Leben war. Wenn er nicht gewann, würde er sterben. Er drückte auf die Waffe und versuchte, sie auf den Körper seines Angreifers zu richten. Dabeiwar ihm durchaus bewusst, dass er bei einem Kampf mit seiner betrunkenen Frau vor vielen Jahren dasselbe getan hatte.
    Hope hatte das Stadium der Panik bereits hinter sich gelassen. Noch nie im Leben hatte sie eine solche Muskelkraft wie diese gegen sich gehabt. Das Adrenalin dröhnte in ihren Ohren, und sie schnappte nach Luft, um Kraft zu schöpfen und zu siegen. Mit einem gewaltigen Stoß schleuderte sie O’Connells Vater zur Seite, mit dem Ergebnis, dass sie beide gegen eine Theke stießen. Geschirr und Besteck flogen ihnen um die Ohren. Die Bewegung schien Wirkung zu zeigen.
    O’Connells Vater schrie auf vor Schmerz, und Hope sah, wie sich an dem weißen Anstrich des Schranks ein roter Blutstreifen entlangzog. Ihr erster Schuss hatte Muskel- und Knochengewebe seiner Schulter zerfetzt, und er kämpfte trotz der Schmerzen.
    Er packte die Waffe mit beiden Händen, und Hope stieß ihm den freien Arm in den Leib, während sie seinen Kopf gegen den Schrank schlug. Sie sah seine gebleckten Zähne, das wutund angststarrende Gesicht. Wieder holte sie mit dem Knie aus, und wieder traf es seine Lenden. Sie drückte ihn zurück und versetzte ihm mit der freien Hand einen wuchtigen Schlag gegen das Kinn. Er taumelte unter dem Hieb, blieb aber dennoch auf ihr liegen.
    Immer wieder rammte sie ihm den linken Ellbogen in den Leib, während sie die Waffe in ihrem eisernen Griff behielt und jeden ihrer Muskeln zwang, dafür zu sorgen, dass sie nicht herumgedreht und auf sie selbst gerichtet wurde.
    In genau dieser Sekunde spürte sie, wie der Druck auf ihre Waffenhand nachließ. Sie hoffte schon, dass sie kurz davor war zu siegen, doch im nächsten Moment schnappte sie nach Luft, als sie der Schock eines unbeschreiblichen Schmerzes durchfuhr. Sie verdrehte die Augen und verlor beinahe das Bewusstsein.Sie wusste, dass ihr gleich schwarz vor den Augen werden musste, und sie warf sich im letzten Moment herum.
    O’Connells Vater hatte aus dem Durcheinander rings um sie ein Küchenmesser gefischt. Während er mit einem Arm ihre Waffenhand hielt, hatte er Hope das Messer auf der Suche nach ihrem Herzen tief in die Seite gestoßen. Er legte seine ganze Kraft hinein.
    Hope fühlte, wie ihr die Spitze der Klinge ins Fleisch drang. Sie hatte nur einen Gedanken.

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