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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Jetzt ist es so weit –
auf Leben und Tod
.
    Sie griff mit der Linken auf die andere Seite und nahm die Pistole. Blitzschnell hielt sie die Waffe O’Connell ins schmerzund wutverzerrte Gesicht. Im selben Moment, als die Messerklinge ihr mitten in die Seele zu dringen schien, stieß sie ihm den Lauf unters Kinn und drückte ab.
     
    Scott hätte gerne einen Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr geworfen, wagte jedoch nicht, den Blick vom Carport und dem Nebeneingang zu O’Connells Haus zu wenden. Im Flüsterton zählte er die Sekunden, seit Hopes dunkle Gestalt hineingegangen war.
    Es dauerte viel zu lange.
    Er trat ein Stück aus seinem Versteck, wich aber unschlüssig wieder zurück. Sein Herzschlag raste. Ein Teil von ihm schrie, dass alles schiefgegangen, dass alles verloren war, dass er hier und in diesem Moment bloß weg musste, bevor er noch unaufhaltsamer in den verhängnisvollen Strudel der Ereignisse geriet. Die Angst drohte ihn wie eine heftige Meeresströmung in die Tiefe zu ziehen.
    Er bekam eine trockene Kehle. Er hatte raue Lippen. Die Nacht schien ihm den Hals zuzuschnüren, und er griff sich an den Kragen seines Sweatshirts.
    Er befahl sich zu gehen, zu verschwinden, egal, was geschehen war.
    Doch er tat es nicht. Stattdessen war er wie versteinert. Er spähte in die Dunkelheit. Er spitzte die Ohren. Er schaute angestrengt nach rechts, dann nach links und sah keinen Menschen.
    Es gibt Augenblicke im Leben, in denen man weiß, dass man
irgendetwas
unternehmen muss, auch wenn eine Möglichkeit gefährlicher wirkt als die andere und jede Wahl verzweifelt scheint. Was auch immer dort drüben passierte, Scott wusste, dass letztlich, und sei es auch nur indirekt, Ashleys Leben davon abhing, was er in den nächsten Sekunden unternahm.
    Vielleicht ihrer aller Leben.
    Und obwohl er das unwiderstehliche Bedürfnis hatte, der wachsenden Panik nachzugeben, holte Scott tief Luft, verbannte alle Gedanken, Überlegungen und Möglichkeiten aus seinem Kopf und rannte los.
     
    Hope wollte schreien, öffnete den Mund vor Entsetzen, doch statt eines schrillen Lauts kam nur ein krächzendes gedämpftes Geräusch ihres schweren Atems.
    Ihr zweiter Schuss hatte O’Connells Vater direkt unter dem Kinn getroffen, war durch den Mund nach oben gedrungen, hatte ihm die Zähne zerschmettert, die Zunge und den Gaumen zerfetzt und war tief in seinem Gehirn steckengeblieben, so dass er fast augenblicklich tot war. Die Wucht des Schusses hatte ihn zurückgeworfen und beinahe hochgehoben, doch dann war er wieder auf sie gestürzt, so dass sie unter dem Gewicht seiner Brust zu ersticken drohte.
    Seine Hand lag immer noch am Messerschaft, doch die Kraft, die es ihr in den Körper stieß, war gewichen. Der plötzlich aufwallende Schmerz schickte Feuerströme in ihre Seite, in dieLunge und ins Herz sowie dunkle Schleier der Agonie in ihren Kopf. Sie fühlte sich plötzlich erschöpft, und eine Stimme drängte sie, die Augen zu schließen und so, wie sie dort lag, einfach einzuschlafen. Doch zugleich meldete sich eine eiserne Willenskraft. Sie nahm alle Kraft zusammen und versuchte, das Gewicht des Toten wegzuwälzen. Beim ersten Mal reichte es nicht. Sie stemmte sich ein zweites Mal dagegen, und er schien sich zentimeterweise zu bewegen. Sie unternahm einen dritten Versuch. Es war, als müsste sie einen Felsbrocken aus der Erde wälzen.
    Sie hörte, wie die Tür aufging, sah aber nicht, wer es war.
    Wieder kämpfte sie gegen die Bewusstlosigkeit an und schnappte nach Luft.
    »Oh mein Gott!«
    Die Stimme klang vertraut. Hope stöhnte.
    Ganz plötzlich und wundersamerweise verschwand das Gewicht, das sie niedergedrückt hatte, so als tauchte sie unter einer Meereswoge auf. Die Gestalt, die einmal O’Connells Vater gewesen war, sackte auf den Linoleumboden neben ihr.
    »Hope! Mein Gott!«, hörte sie jemanden flüstern, und sie zwang sich, den Kopf in die Richtung zu drehen.
    »Hallo, Scott.« Trotz der Schmerzen brachte sie ein schwaches Lächeln zustande. »Ich hatte Probleme.«
    »Das kann man wohl sagen. Wir müssen dich hier rausschaffen.«
    Sie nickte und versuchte, sich aufzusetzen. Das Messer steckte immer noch in ihrer Seite. Scott wollte danach greifen, doch sie schüttelte den Kopf. »Rühr das nicht an«, sagte sie entschieden.
    Er nickte. »In Ordnung.«
    Halb hob er sie hoch, halb rappelte Hope sich auf. Die Bewegung verstärkte ihr Schwindelgefühl, doch sie konnte es überwinden.Sie biss die Zähne zusammen und

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